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Edel sei der Mensch

Seit ein paar Wochen ist das Kulturzentrum „Tawba“ in Osnabrück geöffnet. Die Betreiber Alfa Traoré und Sana Abdoul Razak wollen einen Raum zum Austausch für alle anbieten

Von Harff-Peter Schönherr

Tawba. Wer an der Fensterfront der Osnabrücker Johannisstraße 132 entlanggeht, liest dieses Wort alle paar Schritte. Mancher stutzt, fragt daheim vielleicht Wikipedia. Viele hier wissen jedoch, was es bedeutet: Selbstläuterung. Könnten erklären, dass es aus dem Arabischen kommt. Dass es religiöses Vokabular ist, aus dem Islam. Und wer je den Rosenplatz überquert hat, eine halbe Gehminute von hier, weiß, warum das so ist: Das Viertel ist stark migrantisch geprägt; viele dieser Migranten sind Muslime. Gleich nebenan, im „Café Mandela“ der Diakonie, findet Sprachunterricht statt, bekommen Asylbewerber Rechtsberatung.

Früher war in der 132 mal ein Fahrradladen drin; und über der Tür stand: „Hollandräder“, „Kinderräder“, „Rennräder“. Heute steht hier: „Begegnung“, „Erziehung“, „Kultur“. Und dann ist da noch dieses esstischgroße, runde Schild mit dem sechsspeichigen Rad aus dem Osnabrücker Stadtwappen. Alfa Traoré und Sana Abdoul Razak, die neuen Mieter, haben es belassen, als eine Erinnerung an die Deko der Radladen-Tage. Nur um zwei Gedichtzeilen aus „Das Göttliche“ von Goethe, dem klassischsten aller deutschen Dichterfürsten, haben sie es ergänzt: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“. Auch wir sind ein Teil der Stadt, signalisiert ihr Verein „Neues Afrika“ damit, auch wir gehören zu Deutschland.

Tawba. Dieses Wort steht hier noch nicht lange. Erst ein paar Wochen ist Razaks und Traorés gleichnamiges Zentrum alt; Eröffnung war zum „Tag der offenen Moschee“ Anfang Oktober. Ebenso wichtig wie der Gebetsraum ist aber das Café, ebenso wichtig wie der Koranunterricht sind Nach- und Hausaufgabenhilfe. Gleich vorn am Eingang entsteht ein Info-Point zu afrikanischer Kultur und Geschichte. „Wir wollten etwas Eigenes“, sagt Traoré, der seit 1991 in Deutschland lebt. „Nicht zum Abkapseln. Zum Zuhausefühlen.“

Es geht um Soziales

Traoré, einst Mitbegründer eines vorbildhaft integrativen Afrika-Festivals, das die Stadt, unbegreiflicherweise, eingestellt hat: „Wir sind offen für alle. Wer zu uns kommt, muss kein Afrikaner sein, auch kein Moslem. Bei uns geht es um Kommunikation, um den Abbau von Ressentiments.“ Und es geht um Soziales. Deshalb ist Tawba auch genau hier, mitten im Rosenplatz-Quartier. Viele Afrikaner, zumal aus subsaharischen Ländern, sind in den letzten Jahren nach Osnabrück gekommen, viele von ihnen wohnen in den angrenzenden Straßen.

„Viele sind ohne Familie hier und noch sehr jung, vielen fehlt es an Perspektive, an Orientierung, manche geraten in Probleme“, sagt Razak, seit 1990 in Osnabrück, Vorsitzender von Verein und Gemeinde. „Wir sind hier, um ihnen zu helfen.“ Jeden Tag räumt er draußen auf, mehrfach; Müll und Spritzenbestecke wirken nicht gerade einladend. „Ein paar Leute haben wir von den Drogen schon weg“, sagt er.

Wir sitzen in der Sofaecke, neben der Theke. Mit Blick auf die kleine Bibliothek, zu der immer mal wieder wer eine Handvoll Bücher beisteuert. Mit Blick auf einen großen roten Stoffelefanten, der ist von der Diakonie. „An einigen Stellen siehts hier noch chaotisch aus“, lacht Traoré. „Aber das kommt.“ Der Sanitärbereich ist eines seiner Sorgenkinder, die Küche. Aber es geht voran: 50 Aktive ist der Verein stark. Und sobald die Gemeinnützigkeit durch ist, stehen neue Geldquellen offen.

Gerade ist Sabina Ide zu Besuch, Dialogbeauftragte bei der Polizeidirektion Osnabrück. „Ein wirklicher Gewinn“, sagt sie über die Neugründung „von Bürgern für Bürger“: „Menschen fühlen sich wohl hier, finden Hilfe. Eine Atmosphäre, die keiner Radikalität Nährboden bietet, ob aus islamistischer, ob aus rechter Richtung.“ Ide freut die Kommunikativität. Und dass sich hier so viele Nationalitäten wohlfühlen, vom Balkan bis Syrien, nicht nur die, an die ein Name wie „Neues Afrika“ denken lässt.

Mittlerweile ist ein starkes Unterstützernetzwerk geknüpft. Studenten des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück helfen ehrenamtlich beim Koranunterricht. Der Verein Cordoba engagiert sich – in Tawba sieht er ein gutes Feld für sein Ziel, durch „interreligiöse, interkulturelle Aktivitäten zu einer friedensstiftenden Aufgeschlossenheit beizutragen“. Die Zusammenarbeit mit dem „Café Mandela“ ist eng. Ein Aktionstag der städtischen „Musik- und Kunstschule“ ist im Gespräch, für Kinder und Jugendliche.

Auch Ide selbst bietet Hilfe an. „Das Soziale zum Beispiel. Das ist ja eine Aufgabe, die oft stark konfliktgeladen ist. Etwa wenn es drum geht, Drogenabhängige von der Straße zu holen. Klar, guter Wille kann viel bewegen. Aber manchmal geht es eben nicht ohne Erfahrung. Und bevor du dann selbst versuchst, einer Situation Herr zu werden, die dir über den Kopf wächst, ist es besser, du holst dir Unterstützung.“

Bis zu 300 Gläubige kommen schon jetzt zum Freitagsgebet. Razak: „Das staut sich dann bis ins Café.“ Und mancher Erstkontakt hat lustige Gründe. „Es gibt Leute, die denken, wir sind eine Shisha-Bar“, lacht Traoré. „Aber manchmal kommen sie später zurück.“

Reibungslos war der Start von Tawba allerdings nicht. Es gab rassistische Hetze auf Facebook, Drohungen mit einer Demons­tration. Aber das hat sich schnell beruhigt. Traoré und Razak haben sich einfach nicht provozieren lassen; das nahm den Hatern den Wind aus den Segeln. Trotzdem: Ides Kollegen beraten die Tawba-Gründer in Gebäudesicherung, vorsichtshalber – Unbekannte haben mehrere Glasscheiben beschädigt. Osnabrück bezeichnet sich gern als „Friedensstadt“? Hier kann sich zeigen, ob sie es ist.

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