: „Parkplätze müssen verschwinden“
CDU-Politiker Gero Storjohann hat gerade den Parlamentskreis Fahrrad gegründet.Er fordert „enorme Umplanungen“ in den Städten – und ein Denken wie in Italien
Interview Hanna Gersmann
taz: Herr Storjohann, alle 23 Stunden wird in Deutschland ein Radfahrer getötet, alle 37 Minuten einer schwer verletzt, alle acht Minuten einer leicht. Was ist ihre schlimmste Erfahrung?
Gero Storjohann: Zum Glück hatte ich noch keinen Unfall. Aber mit Kindern ist Radfahren immer Stress, ohne sie oft auch. Mittlerweile ist so viel Verkehr auf den Radwegen – die einen fahren schnell, die anderen normal, einige langsam – dass es oft gefährlich eng ist. Da fühlen sich viele nicht mehr wohl.
Darum haben Sie jetzt den Parlamentskreis Fahrrad gegründet – was wird er ändern?
Wir stehen in Konkurrenz zu anderen Parlamentskreisen, etwa dem Parlamentskreis Binnenschiffe, Elektromobilität …
… Andrea Nahles, die Parteichefin der SPD, wird belächelt, weil sie gerade den Parlamentskreis Pferd gegründet hat, CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, Liebhaber alter Autos, ist der Gründer des schon bestehenden Parlamentskreises Automobiles Kulturgut …
… da war ich mit Scheuer mal zusammen drin, ein alter VW-Käfer braucht oft Sonderregelungen – und Leute, die wissen, wovon sie reden. Das ist beim Fahrrad nicht anders. Nur gab es dafür noch keinen dieser fraktionsübergreifenden Arbeitskreise.
Aber wie viel werden Sie überhaupt zu sagen haben?
Wir brauchen zum Beispiel Velorouten, also große schnelle Radwege, die Städte miteinander verbinden. Dazu müssen wir jetzt Investitionen anschieben. Dafür brauchen wir Mehrheiten im Haushaltsausschuss, da wird der Parlamentskreis Überzeugungsarbeit leisten. Noch sind wir 15 Leute, aber unser Ziel sind 100 Mitglieder.
Der Ausbau des örtlichen Radwegs ist aber Sache der Gemeinden und Städte.
Der Bund kann Modellvorhaben unterstützen.
Ihr erstes konkretes Projekt?
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundestages, die mit dem Rad ins Büro fahren, sollen für kleine Reparaturen Servicepoints erhalten mit Luftpumpe und Werkzeug. Die Bundesverwaltung lehnt das bislang meist aus Sicherheitsgründen ab. Nur im Bürogebäude des Bundestags in der Berliner Wilhelmstraße 65 ist eine billige Fahrradpumpe genehmigt worden, aber auch nur vorübergehend. Das ist nicht zu verstehen. Notrufsäulen stellen ja auch nie ein Sicherheitsproblem dar.
Zur Radpolitik für morgen gehört aber auch, Autofahren weniger attraktiv zu machen und den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen, um Platz auf der Straße zu schaffen?
Ich will das Auto fahren nicht unattraktiv machen, das ist es schon. Das geht andersherum: Sie müssen den ÖPNV so attraktiv machen, dass Sie umsteigen. Sie wollen ein Umsonst-Ticket für Bus und Bahn?
Nein, das ist eine schlechte Idee. Der Nahverkehr würde kollabieren. Denn dann würden auch Radfahrer umsteigen in Busse und Bahn und am Ende mehr mitfahren wollen als Sitz- und Stehplätze da sind. Der ÖPNV würde unattraktiv, Autofahrer würden nicht zum Umsteigen bewegt.
Dann müssten eben neue Busse und Bahnen angeschafft werden.
Wir brauchen ohnehin mehr Züge, längere Bahnsteige, mehr Komfort. Aber mit Gratisnahverkehr würden auf einmal unnötig viele Fahrten gemacht. Ich möchte eine Kombination aus Bus, Bahn, Rad – gerne auch die neuen klappbaren Tretroller – und dafür die optimale Infrastruktur.
Wie sollen die Städte umbauen?
Parkplätze müssen verschwinden, Bäume abgehackt werden, enorme Umplanungen sind nötig. Und wir müssen uns von bestimmten Regeln verabschieden. In kleinen italienischen Städten sind in den Gassen Fußgänger und Radfahrer unterwegs. Da fragt keiner nach Mindestbreiten von Radwegen oder Sicherheitsabständen.
Gero Storjohann, 60, Diplombetriebswirt und CDU-Politiker aus Bad Segeberg. Sprecher der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Petitionen und Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestags.
Wie gestählt müssen Politiker sein, die ihren Wählern Parkplätze wegnehmen?
Vor allem müssen Sie schnell sein und sofort nach einer Wahl ihren Plan umsetzen, damit die Umsetzung wirken kann und Vorteile sichtbar werden. Das ist mit bisherigem Recht nicht einfach. Es würde aber schon helfen, wenn wir die Experimentierklausel in der Straßenverkehrsordnung ausweiten.
Was bringt die Experimentierklausel?
Das wäre wie mit dem grünen Pfeil: So wie Städte teils heute schon entscheiden können, ob sie das Rechtsabbiegen an einer roten Ampel ermöglichen wollen, könnten sie zum Beispiel Klarheit schaffen, wo Radfahrer die Straße statt den Radweg nutzen dürfen und sollen: Sie könnten die Fahrbahn mit mehreren weißen Fahrradsymbolen markieren, obwohl diese eigentlich nicht im Einklang mit der Straßenverkehrsordnung stehen. Denn sie sind keine offiziellen Verkehrszeichen.
Andere wollen eine komplette Überholung der Straßenverkehrsordnung, die in ihren Grundzügen aus den 30er Jahren stammt, als mehr Autos auf die Straße kommen sollten.
Die wollen eine Bevorzugung des Fahrrads gegenüber dem Auto …
… oder zumindest eine Gleichstellung …
… dann bekommen sie den Widerstand im Parlament. Das ist zu radikal. Es ist eben nicht jeder Radfahrer. Und man darf auch niemanden aufs Rad zwingen.
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