: Pakistan treibt Asia-Bibi-Anwalt ins Exil
Die Regierung des Landes knickt im umstrittenen Blasphemiefall der Christin ein. Damit gefährdet sie die Frau und ihre Unterstützer
Von Sven Hansen
Der Anwalt der in Pakistan am letzten Mittwoch vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochenen Christin Asia Bibi ist laut einer Hilfsorganisation in die Niederlande geflohen. Saif-ul-Malook sei am Samstag von der im südniederländischen Hoogblokland ansässigen Stiftung für verfolgte Christen (HVC) aufgenommen worden, teilte diese laut dpa am Montag mit. HVC setzt sich schon seit mehreren Jahren für die Verteidigung von Asia Bibi ein. Saif-ul-Malook war es gelungen, vor dem Obersten Gericht das Todesurteil von 2010 gegen die 51-Jährige in einen Freispruch zu verwandeln.
Seitdem bedrohten Islamisten mit Massenprotesten die Familie der Christin, die drei für den Freispruch verantwortlichen Obersten Richter sowie Asia Bibis Anwalt. Am Freitag gab dann die Regierung den Protesten nach und erklärte, Asia Bibi nicht ausreisen zu lassen und sich einer Revision des Urteils vor Gericht nicht zu widersetzen. Die Islamisten beendeten daraufhin ihre Massenproteste, die das öffentliche Leben stark beeinträchtigt hatten. So war vielfach der Schulunterricht ausgefallen, Knotenpunkte des Straßen- und Eisenbahnverkehrs waren blockiert und einzelne Regierungsbüros verwüstet worden.
Es war nicht das erste Mal, dass sich in Pakistan von Teilen des Militärs geförderte Islamisten auf diese Art gegenüber der gewählten Regierung wie gegenüber rechtsstaatlichen Institutionen durchsetzen konnten. Doch war es die erste Machtprobe mit der erst seit dem 18. August amtierenden Regierung von Imran Khan. Der frühere Cricketstar hatte zunächst erklärt, den Freispruch umzusetzen, war dann aber eingeknickt. Die Proteste der Islamisten seien traurig, aber nicht unerwartet gewesen, hatte Anwalt Saif-ul-Malook vor seiner Flucht der Nachrichtenagentur afp gesagt. „Schmerzhaft“ sei allerdings die Antwort der Regierung. „Sie können nicht einmal ein Urteil des Obersten Gerichts des Landes umsetzen“, sagte er. Er kündigte an, Pakistan zu verlassen, wolle aber weiter für Asia Bibi kämpfen.
Am Sonntag bat Ashiq Masih, der Ehemann der freigesprochenen, aber mutmaßlich weiter festgehaltenen Christin in einer Videobotschaft die USA, Großbritannien und Kanada um politisches Asyl für seine Frau und die gesamte Familie. Von einer entsprechenden Bitte an Bayern und seine ihre christlich-abendländische Kultur betonende Regierung ist nichts bekannt. Offenbar ist Söders Kruzifixerlass in Pakistan nicht bekannt.
Ashiq Masih erklärte, er fürchte um das Leben der gesamten Familie. Berichten aus Pakistan zufolge würden er und die fünf Kinder mehrfach den Aufenthaltsort wechseln. Es sei auch viel zu gefährlich für die Familie, die Mutter im Gefängnis zu besuchen.
Die letzten Jahre hatte Asia Bibi in Isolationshaft gesessen. Die Absurdität ihres Falles ist, dass in Pakistan wohl nur dort der sicherste Ort für sie ist. Außerhalb von Gefängnismauern wird sie wahrscheinlich nur im Exil halbwegs sicher leben können. Und selbst im Regelvollzug könnte sie von islamistischen Mitgefangenen bedroht werden.
Hatte Asia Bibis Freispruch zunächst den liberalen Kräften in Pakistan Mut gemacht, geht seit dem Einknicken der Regierung inzwischen die Angst um. Daran ändert nichts, dass Polizei und Paramilitärs seit Sonntag mehr als eintausend vorherige islamistische Demonstranten festnahmen, die während der Massenproteste öffentliches und privates Eigentum beschädigt hatten. Mit ihrem Einknicken hat die Regierung wie schon ihre Vorgängerinnen den Islamisten gezeigt, dass sich deren Widerstand und Drohungen lohnen. Die Regierung fällt damit auch den mutigen Richtern in den Rücken. Es ist kaum zu erwarten, dass in dem von den Islamisten angestrebten neuen Revisionsverfahren die Richter den Mut haben, sich dem islamistischen Druck zu widersetzen. In Pakistan ist für Gotteslästerung die Todesstrafe obligatorisch. Das Gesetz wird oft für private Fehden missbraucht. Wenngleich die Todesstrafe in Blasphemiefällen bisher nicht vollstreckt wurde, kam es schon mehrfach zu Lynchjustiz.
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