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Wo Sozis noch siegen können

Brandenburgs Landeshauptstadt wird weiterhin von einem SPD-Oberbürgermeister regiert. Offenbar kann die Partei auch noch etwas richtig machen

Stolz wie ein Bürgermeister: Bereits in der ersten Wahlrunde am 23. September 2018 zeich­nete sich der spätere Sieg von Mike Schubert ab Foto: Martin Müller/imago

VonMarco Zschieck

Angesichts der Landtagswahl in Bayern klingt es seltsam: Die SPD kann noch Wahlen gewinnen. Das tat sie nämlich in Potsdam. Dort wird der neue Oberbürgermeister genau wie seine drei Vorgänger seit der Wiedervereinigung ein sozialdemokratisches Parteibuch besitzen. In der Stichwahl setzte sich am Sonntag SPD-Kandidat Mike Schubert gegen die parteilose Kandidatin Martina Trauth durch, die für die Linke ins Rennen gegangen war. 55,3 Prozent der Stimmen entfielen auf den 45-jährigen bisherigen Sozial- und Ordnungsdezernenten.

Allerdings war die Wahlbeteiligung mau. Nur 37,8 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Das Wetter taugte an einem sonnigen Herbsttag nicht als Erklärung. In den Straßen waren viele Menschen unterwegs,nur gingen sie nicht in die Wahllokale, sondern lieber in die Eisdiele. Vielleicht hatten die beiden Kandidaten in der Stichwahl nicht stark genug polarisiert, um viele Wähler zu mobilisieren. Schubert selbst vermutete, dass viele das Rennen für gelaufen hielten, nachdem er Trauth in der ersten Wahlrunde drei Wochen zuvor klar distanziert hatte. So wurde es dann bei der Auszählung am Abend doch noch spannend.

Sowohl Ministerpräsident Dietmar Woidke als auch dessen Vorgänger Matthias Platzeck waren ins Potsdamer Rathaus gekommen. Schließlich hat die Brandenburger SPD letzthin wenig Anlass zur Freude gehabt: In der jüngsten Umfrage rangiert die einstmals unangefochtene Regierungspartei bei 23 Prozent gleichauf mit der AfD. CDU und Linke folgten mit 19 beziehungsweise 17 Prozent. Im Frühjahr gingen der SPD gleich mehrere Landratswahlen verloren, in Frankfurt (Oder) kam sie bei der OB-Wahl nur auf 5 Prozent – dort regiert jetzt ein linker Oberbürgermeister. Der Verlust des Potsdamer Rathauses wäre für die SPD elf Monate vor der nächsten Landtagswahl ein Tiefschlag gewesen.

Woidke wertete den Wahlausgang dann auch als „wichtiges Signal“ für die Kommunal- und Landtagswahlen 2019. Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck, von 1998 bis 2002 selbst Oberbürgermeister in Potsdam, sagte: „Schubert hat ohne Rückenwind aus Land und Bund dieses Ergebnis erreicht: Es ist sein Ergebnis.“ Tatsächlich hatten sich Landespolitiker im Wahlkampf rar gemacht. Auf den Rathausfluren wurde am Sonntag geunkt, dass das vielleicht ganz gut für Schubert gewesen sei.

Eine SPD-Trendwende ist fraglich. Potsdam ist nicht Brandenburg

Ob die SPD nun gleich landesweit auf eine Trendwende hoffen kann, ist dennoch fraglich. Denn Potsdam ist nicht Brandenburg. Anders als im Flächenland boomt es in Potsdam seit Jahren. Statt mit Abwanderung und Perspektivlosigkeit hat die Stadt damit zu kämpfen, einen enormen Zuzug zu bewältigen, Wohnungen, Schulen und den Nahverkehr auszubauen – für viele Regionen an der Peripherie sind das Luxusprobleme.

In Potsdam hat die SPD den Spagat geschafft. Einerseits konnte Amtsinhaber Jann Jakobs mit einem Milliardär wie SAP-Gründer Hasso Plattner so gut, dass dieser einen dreistelligen Millionenbetrag für Investitionen in die Uni, ein Kunstmuseum von Weltrang und die barocken Fassaden der Innenstadt steckt. Andererseits hat die Stadt eine der bundesweit höchsten Betreuungsquoten in den Kitas und einen günstigen öffentlichen Nahverkehr.

Die AfD findet, anders als im Rest Brandenburgs, in Potsdam weniger Anklang. Ihr Kandidat landete in der ersten Wahlrunde mit 11,1 Prozent auf dem fünften Platz. Schubert setzte im Wahlkampf ebenso wie Trauth auf soziale Themen. Offenbar interessiert das die Wähler.

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