Sorge um Wahlen im Kongo: Kirche fordert mehr Druck
Kongos katholische Bischofskonferenz fürchtet, dass die Wahl im Dezember inkorrekt abläuft. Die Welt müsse jetzt verstärkt aktiv werden.
„Es besteht die Gefahr, dass die Wahlen nicht in einem friedlichen Klima ablaufen“, warnte Cenco-Präsident Marcel Utembi, Erzbischof von Kisangani. Sollte das so kommen oder die Wahl gar ausfallen, „wird das eine Lage herbeiführen, die niemand im Griff hat“.
Im Kongo werden am 23. Dezember ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt – zwei Jahre, nachdem die regulären Amtszeiten des derzeitigen Präsidenten und Parlaments eigentlich abliefen. Als 2016 die Wahlen mangels Vorbereitung einfach nicht stattfanden, sorgte die Cenco dafür, dass das Land einigermaßen stabil blieb: Nach Gesprächen in Kinshasa unter Ägide der Bischofskonferenz wurde am 31. Dezember 2016 ein Abkommen zwischen Regierung und Opposition unterzeichnet, das freie Wahlen bis Ende 2017 unter gemeinsamer Vorbereitung vorsah.
Doch dieses „Silvesterabkommen“ wurde nur verspätet und widerwillig umgesetzt, mit einer erneuten Wahlverschiebung auf Ende 2018. Weitere Verschiebungen, so Cenco-Generalsekretär Abbé Donatien Nshole, würde das kongolesische Volk „nicht hinnehmen“. Es dürfe aber auch nicht zu „schlechten Wahlen“ kommen, deren Ergebnis nicht regulär zustandekomme und daher nicht anerkannt werde – dann drohe Chaos.
Fiktive Namen auf dem Wahlregister?
Die Kirchenführer sorgen sich vor allem um drei Dinge. Zum einen sind von den rund 40 Millionen Namen auf dem neuen Wahlregister sechs Millionen ohne Fingerabdrücke zum Identitätsnachweis eingetragen worden, und Oppositionelle fürchten, dass dies Phantomwähler sind, mittels derer sich die Regierung den Wahlsieg sichern will. Cenco fordert daher die Veröffentlichung dieser sechs Millionen Namen, wie auch des Wahlregisters insgesamt, um eine unabhängige Überprüfung zu ermöglichen.
Zum zweiten will Kongos Wahlkommission nicht mit Stimmzetteln auf Papier abstimmen lassen, deren Druck und Transport in dem riesigen Land ohne Infrastruktur extrem aufwendig ist, sondern mit elektronischen Wahlmaschinen. Abgesehen davon, dass just dazu die Fingerabdrücke aller Wähler benötigt werden, bietet dieses Verfahren nach Ansicht von Kritikern jede Menge Möglichkeiten zur Manipulation, ohne dass diese hinterher noch nachzuweisen wäre. Kongos Opposition und auch die Cenco lehnen daher die „machines à voter“ ab.
Drittens, so die Bischöfe, sei eine unabhängige Beobachtung der Wahlen nicht gewährleistet. Da die Regierung keine internationalen Beobachter wünsche, sei eine nationale Beobachtung durch die katholische Kirche – einzige regierungsunabhängige Institution des Kongo mit einer landesweit funktionierenden Struktur – zwingend zur Bestätigung der Korrektheit des Wahlablaufs und der Stimmauswertung. Bisher aber seien die 40.000 benötigten Cenco-Wahlbeobachter nicht akkreditiert.
„Mit einer Stimme sprechen“
In all diesen drei Feldern sowie allgemein beim Thema des freien und fairen Wahlkampfs, der Gewährleistung des Pluralismus in den Medien, der Zulassung von Oppositionskandidaten und der Wahrung der Menschenrechte, sei verstärkter internationaler Druck auf die Regierung von Kongos Präsident Joseph Kabila nötig, so die Bischofe. „Die Cenco wünscht, dass die internationale Gemeinschaft Forderungen bezüglich eines guten Wahlablaufs stellt und bei der Proklamation der Ergebnisse mit einer Stimme mit den Cenco-Beobachtern spricht“, fasste Utembi die katholische Position zusammen.
Die katholische Kirche war zu Beginn dieses Jahres führend bei Protesten gegen das Nichteinhalten des Wahltermins Ende 2017 gewesen. Da bei Demonstrationen auf den Straßen immer wieder Zivilisten von den Sicherheitskräften erschossen werden, wurde stattdessen wochenlang jeden Sonntag in den Kirchen bei und nach der Messe demonstriert.
Auch dort gab es aber immer wieder Tote und Verletzte. Das Klima zwischen Staatsmacht und Katholiken ist seitdem im Kongo extrem gespannt – noch-Präsident Kabila ist Protestant.
Die Bischöfe äußerten sich einen Tag, nachdem Kabila vor der UN-Vollversammlung in New York die „Unumkehrbarkeit“ des Wahlprozesses bekräftigt hatte und versprach: „Alles wird getan, um den friedlichen und glaubwürdigen Charakter dieser Wahlen zu gewährleisten“.
Kongos Staatschef kritisierte jedoch „jede Einmischung in den Wahlprozess“, sprach von einer „Instrumentalisierung“ der Demokratie und der Menschenrechte durch Kritiker seines Landes, verlangte den Beginn eines Rückzugs der UN-Truppen aus dem Kongo und bekräftigte, seine Regierung werde die Wahlen komplett selbst finanzieren – frühere Wahlgänge waren von internationaler Hilfe abhängig, wobei auch dieses Jahr aber nicht klar ist, ob die Wahlkommission über die benötigten Mittel in vollem Umfang verfügt.
Druck von außen wirkt
Mehr Druck von außen auf den Kongo sei aber bereits im Hinblick auf einen Verzicht auf die umstrittenen „Wahlmaschinen“ und auf die Veröffentlichung des Wahlregisters zu spüren, erklärten die Bischöfe in Berlin. Internationaler Druck, beispielsweise durch Finanzsanktionen gegen Kongos Staat und die Verweigerung neuer Wirtschafts- und Kooperationsabkommen mit der amtierenden Regierung, könne durchaus etwas bewirken, meinten sie.
Immerhin habe Präsident Joseph Kabila bereits im August darauf verzichtet, zu einer verfassungswidrigen dritten Amtszeit anzutreten, und schickt stattdessen seinen früheren Innenminister Emmanuel Ramazani Shadary als Präsidentschaftskandidat ins Rennen.
Man dürfe sich mit Kabilas Abgang aber nicht zufriedengeben, so Abbé Nshole: „Er will das Spiel Putins spielen und wiederkommen“, prognostizierte er.
Clément Makiobo von der katholischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden meinte: „Die Macht einem Zwillingsbruder Joseph Kabilas zu übertragen ist keine Lösung. Es ist reine Verschwendung von Zeit, Geld und Energie.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos