Kolumne Pressschlag: Planwirtschaft an der Playstation

Die Fifa möchte feste Transferwerte für einen faireren Markt im Profifußball errechnen lassen. Das kann nur schief gehen.

Verzerrte Darstellung des Spieler Neymar in Bewegung

Der bislang teuerste Spieler: Neymar wechstelte nach offiziellen Angaben für rund 222 Millionen Euro Foto: Reuters

Die Fifa entdeckt die Planwirtschaft. Dem Weltverband ist aufgefallen, dass der unregulierte, entfesselte Transfermarkt für den Fußball ein Problem ist. „Das Transfersystem scheint sich zu einem spekulativen Markt gewandelt zu haben“, heißt es in einem Bericht, der aus einer eigens gegründeten Fifa-Task Force an die Öffentlichkeit sickerte.

Und neben allerhand anderen Vorschlägen – einer Luxussteuer auf exzessive Ablösesummen etwa – will der Verband jetzt direkt in die Transfersummen eingreifen: Mit einem Algorithmus, der „Transfer-Werte und -Wahrscheinlichkeiten auf wissenschaftlicher Basis schätzt.“ Mögliche Summen sollen automatisch errechnet und Transferzahlungen entsprechend gedrosselt werden.

Der Weltfußballverband will also durchgreifen. Der Schritt ist durchaus interessant. Infantino hielt eine Task Force für nötig, um den völlig aus dem Gleichgewicht geratenen Wettbewerb zumindest ansatzweise zu regulieren. So schlecht steht es.

Dass ein Eingriff nur dazu dient, den Geldfluss am Laufen zu halten, ist offensichtlich, aber nicht notwendigerweise der Sache schädlich. Zunächst gilt: Der Leidensdruck bei der Fifa ist offenbar so groß geworden, dass sie ernste Eingriffe erwägt, um Spannung und Chancengleichheit zu erhöhen. Das ist eine gute Nachricht.

Die schlechte ist, dass ihr wichtigster Vorschlag völlig unpraktikabel ist. Fast schon verbietet es sich, ihn mit dem Ernst dieser Kolumne zu behandeln. Aber wir halten das durch, versprochen. Computer sollen also aufgrund von Daten einen festen Transferwert eines Spielers bestimmen. Abgesehen davon, dass das an der Macht- und Geldverteilung im Vereinsfußball nicht viel ändern dürfte, ist es in vier Worten: unumsetzbar, kompliziert, fehleranfällig und manipulationsverdächtig. Und Charakter, Teamfähigkeit oder Erfahrung spielen für die Fifa offensichtlich auch keine Rolle.

Die Großkubs als Feind

Der Premier-League-Offizielle Bill Bush kanzelte die Idee gleich als „lächerlich“ ab. Ob der Vorschlag überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist, hat offenbar auch niemand überlegt. Und wie der Neymar-Transfer bewies, gibt es nebenbei viele Wege, Geld zu zahlen. Die Ablösesumme ist nur einer.

Vielleicht hat die Fifa ihren jüngsten Vorschlag auch nur an der Playstation erdacht. Da gibt es Spielerwerte, die aber, kleiner Tipp an die Fifa, sogar da hoch umstritten sind. Möglicherweise wird der Weltverband demnächst nach jedem Spieltag noch In-Form-Cards einführen, die werden nach dem Spiel von einer Card-Lady verteilt und drücken den Spielerwert nach oben.

Bei allem Hohn hat die Fifa fast unbemerkt in dem Dokument durchaus sinnige Vorschläge aufgeschrieben. Eine Luxussteuer zum Beispiel, die hohe Ablösesummen besteuert und in einen Solidaritätsfonds eingezahlt wird. Auch eine Begrenzung des Leihgeschäfts und eine stärkere Regulierung der Tätigkeit von Spielerberatern. All das ist keine Revolution des Systems, aber das Drehen an einer wichtigen Stellschraube. Für größere planwirtschaftliche Experimente wird es nicht reichen.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die wahre Hürde wären sowieso nicht die Gerichte. Sondern die Großklubs. Machtvolle Player, aufgezüchtet und gewachsen im fußballerischen Goldrausch seit den neunziger Jahren, der wiederum von der Fifa immer weiter vorangetrieben wird. Selbst wenn Infantino und Genossen eines Tages die Signale hören und sich zum ernsthaften Kampf gegen die Ungleichheit erwärmen würden, ist unwahrscheinlich, dass sie damit weit kommen würden. Bisher haben die Großklubs noch jeden zaghaften Angriff auf die Besitzverhältnisse abgewehrt. Sie sind die Cash Cows. Und der Weltfußball will ja nicht an dem Stuhl sägen, auf dem er sitzt.

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