Spanische Liga verhökert Spiele in die USA: Zum Barça-Heimspiel nach Miami

Die Primera Division will Pflichtspiele in den USA austragen. Fans kriegen kostenlose Flüge und Rabatt auf Tickets. Trotzdem regt sich Widerstand.

ein Mann, der sich mit den Händen die Backen hält

Au Backe! Lionel Messis Reaktion auf das 2:2 gegen Girona im heimischen Stadion Foto: ap

BARCELONA taz | Pau, Víctor und die anderen Girona-Fans kommen aus dem Stadion, nachts um elf, überall Lichter, es ist immer noch warm, Barcelonas Camp Nou war voll und zurück liegt eines dieser Spiele, an die man sich erinnern wird. In der zweiten Erstliga-Saison überhaupt des Kleinstadtklubs aus dem Norden Kataloniens hat ihre Mannschaft ein 2:2 beim großen Bruder erkämpft. Was für ein Heldenstück, Fußball aus jeder Pore, die Stimmung elektrisch bis zum Schluss.

Und das Rückspiel dann also in Miami? So soll es ja sein, wenn es nach dem Willen der spanischen Liga LFP und auch der beteiligten Vereine geht. LFP-Chef Javier Tebas hat dazu eine Vereinbarung mit der US-Vermarktungsfirma Relevent („International Champions Cup“) geschlossen und will das Projekt auf Teufel komm raus durchziehen, auch gegen den Widerstand des spanischen Verbandes RFEF, der bislang die nötige Genehmigung verweigert.

Außerdem müssten die Verbände der USA, Nord/Mittelamerikas, Europas sowie die spanische Politik zustimmen. „Zu 90 Prozent werden wir am 26. Januar in Miami spielen“, hat Tebas jüngst bekräftigt, obwohl der Verband am Freitag erklärt hatte, die Chancen lägen „bei null Prozent“.

Pau grinst, Víctor lächelt. Sie waren überhaupt nur im Camp Nou, weil sie eine der Kompensationen angenommen haben. Um Dauerkartenbesitzer für den Heimspielausfall zu entschädigen, bot Girona den Fans an, sich (a) gratis nach Miami chartern zu lassen, direkt zum Spiel und wieder zurück, (b) gegen einen Aufpreis von 400 Euro das ganze Wochenende dort zu verbringen, (c) 40 Prozent Rabatt auf ihre Jahreskarte zu bekommen oder (d) 20 Prozent Rabatt sowie freien Eintritt und Anreise zum Hinspiel im Camp Nou. Pau und Víctor nahmen den Spatz in der Hand. Richtig gute Plätze hätten sie gehabt, nah am Spielfeld, berichten sie.

Barcelona ist so interessiert am US-Markt, dass es in New York sogar ein Büro unterhält. Girona wiederum gehört zu 50 Prozent der global ausgerichteten „City Football Group“ (Manchester City, New York City u.a.) und zu den anderen 50 dem Trainerbruder Pere Guardiola, der wiederum eng mit dem Medienunternehmer, Rechteinhaber und Tebas-Freund Jaume Roures verbandelt ist.

„Viel Flugzeug für wenig Fußball“

Auf der anderen Seite ist just die Barça-Girona-Ansetzung aber auch pikant: unter den Fans beider Mannschaften befinden sich viele Befürworter der katalanischen Unabhängigkeit, die diese Meinung von den Tribünen auch mitzuteilen pflegen. Der Imagegewinn für die „Marca España“ würde durch den Export solcher Szenen eher konterkariert, lästern Kritiker. Auch Regierungschef Pedro Sánchez soll nicht zuletzt aus diesem Grund wenig angetan von der Idee sein.

Mit allzu vielen Fans aus Katalonien wäre sowieso nicht zu rechnen. Vor dem Camp Nou hält sich die Begeisterung in engen Grenzen. „Neun Stunden hin und neun Stunden zurück nach Miami – dafür habe ich keine Zeit“, sagt Sergi, der ein im Trikot von Kapitän Álex Granell trägt. „Viel Flugzeug für wenig Fußball“, erklärt anderswo Ricard, seine Frau Lorena ergänzt: „Wenn es so weit kommt, nehme ich die Kohle, die 40 Prozent. Aber die Idee gefällt mir nicht. Wir wollen in unserem Zuhause spielen.“

So sehen es die meisten Anhänger, aber anders als etwa in Deutschland sind sie in Spanien kein wesentlicher Faktor. Bei zehn verschiedenen Anstoßzeiten pro Wochenende haben die Fans ohnehin längst resigniert.

Real Madrid ist dagegen

Wenn Tebas nun nach dem heimischen Markt auch den internationalen noch mehr ausquetschen will, kommt der Widerstand eher von anderer Seite. Zuletzt kommunizierte gestern Mittag die Spielergewerkschaft AFE ihre endgültige Ablehnung der Idee, auch Real Madrid bekräftigt seine Opposition. „Seid beruhigt, wir werden nicht in die USA gehen“, sagte Präsident Florentino Pérez am Sonntag der Mitgliederversammlung. Sein Trainer Julen Lopetegui betont die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung: „Jede Mannschaft sollte in jedem Stadion spielen müssen.“

Und die RFEF lässt sowieso keine Kompromissbereitschaft erkennen. Verbandschef Luis Rubiales drohte der Liga am Sonntag gar, ihr die Kompetenz über den Spielplan wieder abzunehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.