petition der woche: Die Diesel-Camper sehen ihre Freizeitidylle bedroht
Anlass der Petition: drohende Fahrverbote in deutschen Städten
Das wollen die Initiatoren: ein „C-Kennzeichen“ für freie Fahrt trotz Umweltzonen
Das wollen sie wirklich: weiter Urlaub machen, ohne zu viel über die Umwelt nachzudenken
Mit dem Wohnmobil ist es wie mit dem Skateboard: Es ist nicht nur ein fahrbarer Untersatz, es ist eine Lebenseinstellung. Für die sogenannten Wohnmobilisten bedeutet ihr Fahrzeug Freiheit, Unabhängigkeit und ein Leben in und mit der Natur. Solange eine Straße hinführt. Doch die Folgen des Dieselskandals bedrohen diese Idylle.
Denn die meisten Wohnmobile fahren mit dem unliebsamen Kraftstoff, der noch mehr Stickoxid in die Atmosphäre pustet als Benzin. Stickoxid ist ein Vorläufer von Feinstaub, und Feinstaub haben die meisten Städte schon genug in der Luft, darum wird vehement über die Frage diskutiert: Kann, soll oder muss es Fahrverbote für Diesel geben? In Stuttgart werden diese Verbote kommen, und in dieser Woche hat ein Gericht entscheiden, dass auch in Frankfurt am Main ab 2019 Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter im gesamten Stadtgebiet nicht mehr fahren dürfen. München, Hamburg, Düsseldorf und Köln haben ein ähnliches Problem mit ihren Stickoxidgrenzwerten.
Für Wohnmobile ist diese Entwicklung ein Problem, so sieht es das Deutsche Caravaning Institut, ein Onlinetreffpunkt für die Fans mobiler Freizeit. Ihre Petition fordert daher ein „C-Kennzeichen“ für alle Wohnmobile sowie Kastenwagen, Busse und Lkws mit serienmäßigem Camperaufbau. Ähnlich dem H-Kennzeichen von Oldtimern würde es die Wohnmobile vor einem möglichen Fahrverbot in Städten und dem Umland schützen.
Viele der Fahrzeuge haben die Schadstoffklasse Euro 4 bis Euro 6. Von Fahrverboten wären somit die meisten der 480.000 gemeldeten Wohnmobile betroffen. Ziemlich viel Konjunktiv, aber dennoch genug Anlass zur Sorge für Peter Hirtschulz, Pressesprecher des Caravaning Instituts und einer der Initiatoren der Petition. Bei einem Fahrverbot, glaubt er, hätten die Halter auch ein finanzielles Problem: „Wohnmobile sind oft wahnsinnig teuer. Der Wertverlust, der durch ein Fahrverbot entstehen würde, wäre enorm.“
Wolfgang Hollenberg ist leidenschaftlicher Mobilist. Weißes Haar, freundschaftliches Lächeln und Mitglied der Strassenfüchse, eines bundesweiten Wohnmobilklubs. Er hasst Hotels und liebt sein Wohnmobil. Zweimal im Jahr geht er damit in den Urlaub, bald geht er in Rente, dann will er mehr reisen, mehr sehen. Am liebsten Städte. „Viele von uns machen mit dem Wohnmobil hauptsächlich Städtereisen. Ein Fahrverbot schadet nicht nur uns, sondern auch den Gemeinden, die vom Tourismus leben.“ Stuttgart wird er also wohl nicht besuchen. Sein Wohnmobil zu Hause lassen kommt nicht infrage.
Hirtschulz und seine Kollegen kennen die Wohnmobilcommunity sehr gut und sehen sich als stellvertretende Kämpfer für ebensolche Menschen wie Hollenberg. Für viele Halter sei die „Mobilie“ ein Ersatz für die Immobilie. „Ein Wohnmobil ist eine Kapitalanlage und der Garant für einen Lebensabend in Freiheit“, sagt Hirtschulz. Klapptisch, Moskitokerze, Windrauschen in den Bäumen. Auch als Nichtmobilist kann man sich vorstellen, was er meint.
Mehr als 4.500 Menschen haben die Onlinepetition seit Februar unterschrieben. Hirtschulz ist sich sicher, dass es noch mehr werden. Jetzt, wo die Dieselverbote wirklich bald kommen sollen.
Sara delle Malva
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