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Der Realität ins Auge blicken

Muss die werktäglich gedruckte taz 2022 wirklich eingestellt werden? Ein Gespräch mit taz-Geschäftsführer Andreas Bull

Von Steffen Grimberg (Fragen) und Karsten Thielker (Foto)

Wenn es um Innovation geht, schauen viele Medien gern mal auf die taz. Ihr überlegt gerade, wie es mit der gedruckten Ausgabe weitergeht. Einige Medien wittern mal wieder eine Existenzfrage.

Natürlich wird es die taz weiter geben. Wir müssen nur der Realität ins Auge sehen, dass der Vertrieb der gedruckten taz als überregionale Zeitung von der Nordsee bis nach Bayern unter Umständen schlicht nicht mehr möglich sein wird – und darauf bereiten wir uns ernsthaft vor.

Was gibt es denn an Alternativen?

Solange es irgend geht, werden wir selbstverständlich auch die gedruckte werktägliche Ausgabe mit großer Sorgfalt und Liebe weiter pflegen. Die taz am Wochenende wird es auf jeden Fall weiter gedruckt geben. Wir stoßen nur heute schon in einigen Regionen beim Abo an die Grenzen, was die Zusammenarbeit mit unseren Vertriebspartnern, also den Zustelldiensten anderer Verlage, angeht. Und auch der Postweg ist keine Alternative, weil hier zu spät oder teilweise gar nicht mehr täglich zugestellt wird. Dagegen sind ePaper oder App unschlagbar – und natürlich auch aktueller.

Die taz diskutiert die Halbwertszeit der gedruckten Ausgabe bereits seit Jahren. Wird’s jetzt ernst – und wie kommt das bei den Genoss*innen und Leser*innen an?

Wir haben gerade eine Abo-Kampagne hinter uns, mit der wir eigentlich für die Printausgabe geworben haben. Die Leser*innen konnten aber wählen, ob sie jeden Tag die gedruckte taz oder werktags das ePaper und nur am Wochenende Print bekommen. 30 Prozent haben sich für Variante zwei entschieden, obwohl wir das nicht besonders angepriesen hatten. Und von denen ist uns ein weiteres Drittel über das Probeabo hinaus treu geblieben. Weil wir die taz günstiger anbieten können, wenn Druck- und Vertriebskosten wegfallen, wirkt sich das auch jetzt schon positiv aus.

Und was passiert am Wochenende?

Da stellt sich die Frage der Printausgabe gar nicht, wir entwickeln das Wochenende ja auch immer weiter. Parallel dazu stecken wir ganz viel Arbeit in die Tageszeitungs-App. Die muss alles bieten, was die taz ausmacht – den „Überraschungsmoment“ unserer legendären Titelseiten und Überschriften inklusive.

Ihr könntet den Umstieg ja auch als Beitrag zum Umweltschutz verkaufen: Mein Freund, der Baum, und so …

Nee, da sind wir ehrlich. App und Online kosten auch Strom, und Smart­phones belasten die Umwelt – aber wenn man die taz an unsere Nutzer*innen liefern will, kommt man an einem gewissen Ressourcenverbrauch nicht vorbei.

Und wer entscheidet am Ende, wie es bei der taz weitergeht?

Wie gesagt, die Vertriebsbedingungen spielen eine signifikante Rolle. Entscheidungen werden bei uns nicht von oben nach unten durchgedrückt. Wir diskutieren das mit den taz-Mitarbeitenden. Und es wird natürlich auch ein großes Thema bei der nächsten Mitgliederversammlung der taz-Genossenschaft sein. Deshalb haben wir den Stand der Diskussion ja auch im Infobrief an unsere 18.000 GenossInnen zusammengefasst.

Was würde denn an Kosten wegfallen, wenn die taz nur noch am Wochenende gedruckt erschiene?

Wir haben mal realistisch gerechnet und nennen das „20-20-20-20“: Wir wollen 20.000 reine ePaper-Abos haben, weitere 20.000 in der Kombi ePaper und Print am Wochenende, 20.000 reine Wochenend-Abos und 20.000 regelmäßige „taz zahl ich“-Kunden bei unserer „Pay-Wahl“ auf taz.de – dann kommt da ein positives Ergebnis raus.

Steffen Grimberg ist Medienjournalist, in seiner taz-Kolumne „Flimmern & Rauschen“ bringt er immer mittwochs Ordnung ins Mediengeschehen. Andreas Bull ist taz-Geschäftsführer und analysiert an dieser Stelle regelmäßig die wirtschaftliche Entwicklung der taz.

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