Mondfinsternis des Jahrhunderts: Luna ist eine Projektion
Am Freitagabend beschert uns eine besondere Konstellation am Himmel einen ungewöhnlich langen „Blutmond“. Zuschauen lohnt sich.
Sie ist eine Fantasie, ein Trugbild, in Deutschland tarnt sie sich mit einem männlichen Namen, „der Mond“, das kommt vom Wortstamm „messen“, passt zu „Monat“, es ist die wissenschaftliche Variante.
In anderen Sprachen hat sie einen weiblichen Namen „la Luna“, das ist die mystische Version. So hieß die Mondgöttin der alten Römer. Nomadenfrauen in alten Zeiten, so behaupten Esoterikerinnen, bluteten an Neumond und hatten den Eisprung zu Vollmondzeiten. Was praktisch war, denn so stellte sich die Liebesromantik im Vollmondschein just an genau den fruchtbaren Tagen ein.
Mal steht sie leuchtend rund am Himmel wie eine Verheißung, dann aber nimmt sie ab wie nach einer brutalen Schlankheitskur. Es heißt ja: Schönheit kommt von innen. Reingefallen! Das Licht, das la Luna verströmt, kommt von außen, von der Sonne, die unablässig scheint, also ackert wie ein Stahlwerk in Vollkonti-Schicht.
La Luna ist auch ein Werk unserer Projektion. Wir denken, sie nimmt zu oder ab, geht auf oder unter, aber in Wirklichkeit ist es ein rotierendes System, dass uns mal den einen, mal den anderen Blick auf die Kugel erlaubt. Sie wird immer auf der gleichen Hälfte von der Sonne beschienen, weil sie um sich selbst rotiert, während sie um die Erde wandert. Wir sehen von dieser beschienenen Hälfte mal nur eine Sichel, dann wieder die ganze Scheibe, je nach Blickwinkel.
Planetenkunst
Die Sonne strahlt immer gleich. Aber die Erde dreht sich um die Sonne und um sich selbst, la Luna um die Erde und um sich selbst, und so kommt es zur Konstellation am Freitagabend, wenn die Mondkugel voll im Erdschatten steht und sich zum „Blutmond“ verfärbt. Das ist Planetenkunst.
Eine Mondfinsternis findet dann statt, wenn der Mond auf seiner Umlaufbahn um die Erde durch den vom Sonnenlicht erzeugten Erdschatten läuft. Dazu müssen Sonne, Erde und Mond in einer Linie stehen. Das ist selten, denn die Mondbahn verläuft zur Erdbahn um die Sonne in einem Winkel um etwa fünf Grad. Steht der Vollmond nicht in der Nähe einer der beiden Schnittpunkte von Mond- und Erdbahn, tritt keine Mondfinsternis ein.
Anders am Freitagabend. Diese Mondfinsternis ist auch noch die längste im gesamten 21. Jahrhundert, was wiederum daran liegt, dass die Mondkugel auf ihrer elliptischen Bahn um die Erde diesmal an einem ziemlich erdfernen Punkt steht, wo sie sich langsamer bewegt. Kupferrot leuchtet sie in der Mondfinsternis, weil die kurzwelligen blauen Lichtstrahlen der Sonne von der Erde abgefangen, die langwelligen, roten Lichtstrahlen aber gebrochen werden und es zum Erdtrabanten schaffen.
Schluss mit den Erklärungen! Wer die blutende la Luna am Freitagabend bewundern will, sucht sich um etwa 21 Uhr einen erhöhten Punkt, vielleicht eher stadtfern, und schaut in den Himmel nach Südosten. Die Mitte der Mondfinsternis wird um 22.22 Uhr erreicht. Der Mars soll auch erdnah gut zu sehen sein. Wenn nicht der Wolkenhimmel ganz irdisch dazwischenfunkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“