: Über Judenhass reden
Eine Senatsantwort zum fraktionsübergreifenden Antrag gegen Antisemitismus ist in Arbeit. Die Jüdische Gemeinde vermisst einen inhaltlichen Austausch – mit Abgeordneten und Senat. Die Senatskanzlei sieht das anders und will die Gemeinde einbeziehen
Von Karolina Meyer-Schilf und Jean-Philipp Baeck
Ein halbes Jahr Zeit hatte der Senat, um nach einem fraktionsübergreifenden Antrag von Grünen, SPD, FDP, CDU und Linken einen Bericht vorzulegen, wie es weitergehen soll mit dem Kampf gegen den Antisemitismus in Bremen. Unter anderem soll der Senat darlegen, wie es vorangeht mit einem „ressortübergreifenden Handlungskonzept“ zur Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus besonders bei jungen Menschen. In den nächsten Tagen soll nun ein Entwurf für eine Senatsantwort vorgelegt werden. Die Jüdische Gemeinde jedoch beklagt, dass sie bislang als Gesprächspartner kaum beachtet wurde – weder vom Senat noch von den Abgeordneten. Der Senat sieht das anders.
„Das ist jetzt die dritte Anfrage zum Thema Antisemitismus in den letzten zwei Jahren“, sagt Grigori Pantijelew von der Jüdischen Gemeinde im Land Bremen. „Es läuft immer nach demselben Schema: Die Abgeordneten machen sich Gedanken, der Senat beschäftigt sich damit, gibt schließlich seine Antwort. Und weder zu Beginn noch am Ende wird die Jüdische Gemeinde angesprochen.“
Wenn er das mitbekomme, sagt Pantijelew, stelle er „ganz leise“ die Frage, ob das nicht beim nächsten Mal anders ginge. „Wir wollen uns nicht mehr einmischen als uns zusteht, aber gerne beratend zur Seite stehen.“ Er bekomme dann zu hören, dass man es künftig anders machen wolle. „Aber beim nächsten Mal läuft es wieder genau so. So bleibt es am Ende an der Jüdischen Gemeinde, den Dialog in alle Richtungen zu führen, eine verkehrte Situation.“
In der Senatskanzlei, die bei dem Thema federführend ist, kann man den Vorwurf nicht nachvollziehen. Auf Anfrage der taz erklärte Senatssprecher André Städler, dass die Jüdische Gemeinde im Frühjahr und vor der Sommerpause zweimal in der Sache angeschrieben worden sei. Darüber hinaus habe es vor der Sommerpause auch ein Gespräch mit Martina Höhns mit der Jüdischen Gemeinde gegeben, in dem auch der Bericht Thema gewesen sei. Höhns hatte im Frühjahr die Nachfolge von Helmut Hafner angetreten und ist für „Interkulturelle und interreligiöse Angelegenheiten“ im Rathaus zuständig.
„Selbstverständlich haben wir auch weiterhin ein hohes Interesse an einer guten und intensiven Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde, nicht nur was die Erstellung des Berichts anbelangt“, so Städler.
Grigori Pantijelew bestätigt den Kontakt mit der Senatskanzlei und das Gespräch mit Höhns. Infolge des Gesprächs sei die Jüdische Gemeinde zu einem Austausch über die geplante Senatsvorlage eingeladen worden – auch um über die Wege zur Evaluation der laufenden Maßnahmen und der Beteiligung der Jüdische Gemeinde zu sprechen. Wegen der Urlaubszeit im Sommer habe die Absprache offensichtlich etwas Zeit gebraucht, meint Pantijelew.
In jedem Fall kann sich ein enger Austausch mit jenen, die immerhin das Ziel antisemitischer Hetze und Vorfälle sind, nur lohnen. Pantijelew ist davon überzeugt, dass Antisemitismus wirksam nur von oben nach unten bekämpft werden kann. Gerade in Schulen ließe sich damit viel erreichen, meint er: „Wenn etwa der Bürgermeister einmal im Monat eine Schule besuchen und auf das Thema aufmerksam machen, die Bildungssenatorin nicht nur Verständnis haben, sondern auch durchgreifen würde. Oder wenn wir sehen würden, dass Schulleiter das Thema zur Chefsache machen, ohne darauf zu warten, dass es knallt – das könnte helfen.“
Grigori Pantijelew, Jüdische Gemeinde Bremen
LehrerInnen dürften mit dem Problem nicht allein gelassen werden. „Es darf nicht sein, dass die Lehrer überfordert sind mit dem Thema Nahostkonflikt, mit all den Ressentiments, die manche geflüchtete und eingewanderte Menschen mit nach Deutschland bringen.“
LerhrerInnen-Fortbildungen, die gezielt Antisemitismus behandeln, gibt es bislang in Bremen nicht. Das Landesinstitut für Schule (LIS) bietet lediglich Fortbildungen allgemein zu „Interkulturalität“ an. Der fraktionsübergreifende Antrag sieht nun die Aufnahme eines Kooperationsabkommens mit der „International School for Holocaust Studies“ in Yad Vashem vor. Andere Bundesländer kooperieren längst mit der Einrichtung, die auch Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellt.
Das Hauptziel für Pantijelew ist der Dialog zwischen den Kulturen. Die Beziehungen zu den großen Islamverbänden sei sehr gut, während es gerade mit jenen Communitys, die nicht in großen Verbänden organisiert sind, keine Verständigung gebe. „Die Politik hat hier die Bildung der Parallelgesellschaften in Kauf genommen, ohne sich zu positionieren, ohne Einfluss, ohne Plan und die Entwicklung zu mehr Empathie: Wer Empathie hat, wird andere Menschen nicht zu Schweinen, nicht zu Hassobjekten degradieren, er wird ihnen das Menschliche nicht aberkennen.“ Nur dann könne man trotz verschiedener Positionen das Gegenüber immer noch achten. „Ohne dieses Minimum kommt man nicht weit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen