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Kritik und Selbstkritik im JournalismusDie Fehler der anderen

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Die Zeit-Redaktion erklärt sich zum umstrittenen Pro und Contra über private Seenotrettung. Doch die Reaktionen darauf zeugen von ungutem Furor.

Auf die anderen zu zeigen, ist immer einfach Foto: Unsplash/Fernando Venzano

Gut gemeint, aber nicht gut genug.“ Diese Überschrift ist auf der Seite 1 der aktuellen Zeit zu lesen. Es geht in dem von der Chefredaktion unterzeichneten Text um ein Pro und Contra, das die Hamburger Wochenzeitung vor sieben Tagen veröffentlicht hat. Unter der Überschrift „Oder soll man es lassen?“ hatten zwei Redakteurinnen über die Legitimität privat organisierter Seenotrettung diskutiert. Die Empörung war groß, die gesamte Redaktion stand augenblicklich im Verdacht, ihren moralischen Kompass verloren zu haben.

Dass dies nicht zutrifft, zeigen die 54 Zeilen in der aktuellen Ausgabe. „Wir haben uns vorgenommen, es in Zukunft wieder besser zu machen“, ist da zu lesen. Das ist eine selbsthinterfragende und eher selten anzutreffende Geste im überhitzten Mediengeschäft.

Doch die Reaktionen auf die Erklärung – die übrigens keine Entschuldigung ist – zeugen von einem unguten Furor. Die Verantwortlichen versteckten sich hinter dem Sammelbegriff Chefredaktion, wird prompt gequengelt. Die Autorin des Contra-Beitrags werde an den Pranger gestellt, aus der Gesamtredaktion ausgegrenzt. Was für ein Trigger-Bullshit.

Indem die Erklärung als unzureichend, verdruckst oder unkollegial ­diffamiert wird, wird einerseits mit abfälliger Geste das Recht auf Lernfähigkeit und Diskurs negiert. Zum anderen wird die Autorin zum Opfer und übergriffig zur Ikone einer – imaginierten – populistischen Mehrheitsmeinung stilisiert.

Keine Einladung zum Draufschlagen

In jeder Zeitung, in jedem Medium verrutscht mal der Ton, werden Fakten verkürzt, wird nicht lange genug diskutiert. Es werden falsche Entscheidungen getroffen. Dies aussprechen zu können, ohne dass es von der pu­blizistischen Konkurrenz als Einladung zum Draufschlagen verstanden wird – diese Möglichkeit sollte sich die Branche nicht abkaufen lassen.

Der eigenen Tadellosigkeit versichern sich übrigens nach aller Lebenserfahrung besonders gern jene, die sich für keine Skandalisierung zu schade sind. Und zwar exakt so lange, bis sie selbst Mist bauen.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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7 Kommentare

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  • Die Zeit hat also einen "Fehler" korrigiert? Schade.

    Besser wäre es gewesen, die Zeit hätte Eier gezeigt und sich nicht die Diskussion über dieses Thema quasi verbieten lassen. Oder sind die Aktivisten im Mittelmeer Heilige, die nicht kritisiert werden dürfen?

    Einseitige Meinungspräsentation gibt es in den Medien schon zur Genüge - links wie rechts.

    Nebenbei: ein toller Führungsstil der Zeit(ung). Die Redakteurin wurde schnell "geopfert". Solche Vorgesetzten wünscht man sich.

  • Die Marotte, sich ständig über die Gedanken und Taten von andren aufzuregen, regt mich auf :)

  • So lassen sich auch bürgerlich liberale Zeitungsredaktionen vom grassierenden Populismus unter Druck setzen.

    Populismus erzeugt die Stimmung es wäre so, dabei ist alles, was Populisten sagen nur erfunden.



    Nichts ist jetzt so und nichts muss man so machen.

  • „die Reaktionen darauf zeugen von ungutem Furor“

    So heißt es wohl, wenn der Shitstorm wohl aus der moralisch überlegenen und sauberen Ecke kommt. Hätte man von linkspopulistischer Hetze geschrieben, hätte man möglicherweise noch die AFD aufgewertet....

    Es ist ein Armutszeugnis der "Zeit" das sie sich im Namen der Meinungs- und Pressefreiheit nicht ohne wenn und aber vor ihre Autorin stellt.

  • „die Reaktionen darauf zeugen von ungutem Furor“



    Was ist das für ein Sprachmett?

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Galavant:

      Endlich mal ein halbwegs ansehnlicher Satz in dieser sonst vor Fehlern strotzenden Zeitung und schon ist ein unbedarfter Beckmesser zur Stelle.

    • @Galavant:

      Das ist nicht Mett, das ist galant.