Kommentar Krise in der Union: Dann geht doch!

Die CSU droht mit Alleingang und Bruch mit der Schwesterpartei CDU. Dazu wird es nicht kommen, denn die Bayern haben viel zu viel zu verlieren.

Markus Söder, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt

Die CSU tut so, als sei sie zum Äußersten entschlossen (v.l.n.r.): Markus Söder, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt Foto: dpa

Die CSU lässt nicht ab von ihrem irren Egotrip. Sie tut weiter so, als befinde sich die Kanzlerin und die Bundesregierung in bayerischer Geiselhaft. Der Koalitionsausschuss, der bis in den späten Dienstagabend tagte, brachte wie erwartet keine Einigung im Unionsstreit über Abweisungen von Flüchtlingen an der Grenze. Kurz darauf droht CSU-Landesgruppenchef Dobrindt wieder. Falls Merkel beim EU-Gipfel keine europäische Lösung finde, handele Innenminister Seehofer eben auf eigene Faust.

Die CSU tut so, als sei sie zum Äußersten entschlossen. Als sprenge sie die Koalition in die Luft, wenn sie ihren Willen nicht bekommt. Aber täte sie das wirklich? Nein, vermutlich nicht. Zumindest spricht sehr viel dagegen. Die CSU täuscht mit ihrem Gebrüll darüber hinweg, dass sie in Wirklichkeit nackt dasteht. Seehofer ist ein Pokerspieler mit einem miesen Blatt. Ein Bruch mit Merkels CDU würde seiner Partei so sehr schaden, dass er eigentlich nicht in Frage kommt.

Da wäre zunächst die starke Position der Kanzlerin, die in der Verfassung festgeschrieben ist. Merkel muss weg? Es mag ja sein, dass Ministerpräsident Söder zu dem Schluss gekommen ist, dass sich die Landtagswahl leichter ohne die Kanzlerin gewinnen lässt. Aber die CSU, selbst wenn sie wollte, kann Merkel nicht so einfach wegmobben. Wenn Seehofer, Dobrindt und Söder den roten Knopf drücken, also die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag aufkündigen, bleibt Merkel im Amt. Warum sollte sie eigentlich die Vertrauensfrage stellen und abtreten?

Ihre Optionen wären gar nicht so schlecht: Die Grünen würden liebend gern einspringen, auch wenn sie sich offiziell zieren, um den Preis hochzutreiben. Ein Kenia-Bündnis aus CDU, SPD und Grünen hätte eine innere Logik. Schließlich fänden sich drei PartnerInnen mit einer proeuropäische Linie – gegen eine eher EU-skeptische Opposition aus CSU, FDP, AfD und Linken. Die neue Koalition hätte also eine schlüssige Erzählung und den Charme, dass die Klimapolitik durch die Grünen endlich wiederbelebt würde. Merkel könnte auch eine Minderheitsregierung anführen – und sich wechselnde Mehrheiten suchen. Ein solches Experiment würde auf die Demokratie sogar belebend wirken.

Angesichts dessen könnte man der CSU also eigentlich zurufen: Dann geht doch! Euch wird in Berlin keiner vermissen. Aber, wie gesagt, dazu wird es nicht kommen. Denn auch in Bayern würde sich die Eskalation für Seehofers Truppe nicht auszahlen. Konservative Wähler lieben Stabilität, das Chaos lieben sie nicht. Umfragen zeigen, wie ihre Unterstützung für den egomanischen CSU-Kurs bröckelt – und wie viele zu Merkel halten. Einen Sturz der eigenen Regierungschefin würden viele bürgerliche WählerInnen der CSU nicht verzeihen.

Ein Bruch zwischen CDU und CSU markierte zudem das Ende der letzten großen Volkspartei. Das konservative Lager würde zersplittern, und das wäre in der Tat eine historisch bedeutende Entwicklung. Die Union hatte in der bundesdeutschen Geschichte das Dauerabo fürs Kanzleramt – die wenigen SPD-Ausnahmen sind bekannt. Damit wäre Schluss. Am Niedergang der Sozialdemokraten, die den Aufstieg von Grünen und Linken verkraften musste, lässt sich studieren, wie hilflos Fragmentierung machen kann.

All das wissen natürlich auch Seehofer und Dobrindt. Sie sind trotz ihres Gebrülls kühl kalkulierende Machtpolitiker. Deshalb sei die Prognose gewagt, dass die CSU auch in der kommenden Woche noch Teil der Bundesregierung ist. Dass das eine ziemlich schlechte Nachricht ist, ist eine andere Geschichte.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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