heute in bremen: „Am Mythos des Täter-Trios festgehalten“
Björn Ahrens, 24, heißt eigentlich anders, ist Soziologie-Student in Bremen und organisiert die Kundgebung am Vormittag mit.
Interview Jean-Philipp Baeck
taz: Herr Ahrens, heute fällt in München das Urteil gegen die Beschuldigten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) im Hauptverfahren. Warum gehen Sie in Bremen auf die Straße?
Björn Ahrens: Weil auch nach fünf Jahren NSU-Prozess mehr Fragen als Antworten im Raum stehen. Für uns gab es keine konsequente Aufklärung, etwa darüber, wie das NSU-Netzwerk funktioniert hat. Die Staatsanwaltschaft hat im Laufe des Prozesses am Mythos des Täter-Trios festgehalten.
Von wie vielen TäterInnen gehen Sie aus?
Wir gehen von einem bundesweiten Netzwerk aus. Ein Beispiel ist die „10.000-Liste“ des NSU. Auf der Todesliste stehen Tausende Namen und Orte für potenzielle Anschläge. Da ist bundesweit recherchiert worden, sodass sie kaum nur von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe kommen kann. Bislang gab es dazu aber noch kaum Ermittlungen. Ein anderer wichtiger Punkt ist, die Opferperspektive stark zu machen, die Perspektive der Betroffenen und Hinterbliebenen. Es hat sich während des Prozesses viel um die Täter gedreht, der Fokus lag sehr auf Beate Zschäpe.
In Bremen und anderen Städten haben AktivistInnen der Interventionistischen Linken in der Nacht zu Montag Straßennamen mit den Namen von NSU-Opfern überklebt. Ist das eine angemessene Form der Aufarbeitung?
Es ist eben eine Forderung der Hinterbliebenen, stärker beachtet zu werden und in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Denn es ist ja so: Die Namen der Täter kennt fast jeder, aber nur wenige Menschen kennen die Namen der Opfer. Da ist ein Perspektive-Wechsel nötig. Aber das kann nicht alles sein.
Was ist noch nötig?
Aktionen anlässlich des Urteils im NSU-Prozess: Kundgebung ab 10 Uhr, Theater am Goetheplatz sowie Demonstration ab 19 Uhr am Ziegenmarkt
Es muss politisch gewollt sein, den NSU-Komplex aufzuarbeiten, insbesondere auch die Verstrickungen von Verfassungsschutz und Sicherheitsbehörden. Warum zum Beispiel sollten die Akten zum NSU 120 Jahre unter Verschluss bleiben? Da brauchen wir Antworten.
Hat der Prozess jenseits der strafrechtlichen Aspekte zu einer gesellschaftlichen Aufarbeitung beitragen können?
Der Prozess hat zwar eine Öffentlichkeit geschaffen, aber es ist insgesamt wenig angekommen in der Gesellschaft. Bis jetzt fehlt eine konsequente Auseinandersetzung mit institutionellem und gesellschaftlichem Rassismus.
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