: Master der Provokation bleibt sich treu
Seehofer stellt seinen Masterplan offiziell vor. Den Kompromiss, der mühsam mit dem Koalitionspartner SPD erzielt wurde, nimmt er darin nicht auf
Von Sabine am Orde und Christian Rath
Auf dem Deckblatt, wo vor gut einer Woche noch von der Autorenschaft des CSU-Chefs Horst Seehofer zu lesen war, prangt nun das Logo des Bundeninnenministeriums. Am Dienstagvormittag hat Seehofer, jetzt in der Funktion des Ministers, seinen sogenannten „Masterplan Migration“ offiziell vorgestellt.
Bereits vor vier Wochen hatte er das schon einmal angekündigt. Dann kamen, ausgelöst von gezielten Provokationen Seehofers und der CSU: ein veritabler Machtkampf mit der Kanzlerin, eine Regierungskrise, eine Rücktrittsandrohung Seehofers und sein Rücktritt vom Rücktritt sowie ein Koalitionsausschuss, der zu einem der 63 Punkte des „Masterplans“ einen Kompromiss formuliert hat. Allein: Dieser Kompromiss mit der SPD kommt in dem Papier, welches Seehofer am Dienstag vorgestellt hat, nicht vor.
In Punkt 27, wo es um „ein neues Grenzregime“ an der deutsch-österreichischen Grenze geht, ist weiterhin von „Transitzentren“ die Rede, ein Begriff, den die SPD gar nicht mag – und wegverhandelt hat. Aus diesen „Transitzentren“ aber, so heißt es weiterhin in Seehofers Papier, sollen Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, dorthin oder nach Österreich zurückgewiesen werden. Dazu wolle man mit den entsprechenden Ländern Vereinbarungen schließen. „Das ist kein Masterplan der Koalition, sondern des Bundesinnenministers“, sagte Seehofer zur Begründung. Stand des Papiers sei der 4. Juli. Der Koalitionsausschuss habe am Tag darauf getagt.
Das kann man durchaus als neue Provokation verstehen. „Es ist keine“, sagte Seehofer auf die entsprechende Frage einer Journalistin und lächelte süffisant. „Aber wenn Sie wollen, können Sie es auch als eine sehen.“
Die Sozialdemokraten reagierten umgehend. „Die SPD hat keinerlei Interesse, eine weitere Aufführung des CSU-Sommertheaters zu erleben“, sagte der stellvertretende Parteichef Ralf Stegner gegenüber der dpa.
Aus der Partei hieß es, Grundlage sei der Kompromiss von Union und SPD, wonach an der Grenze zu Österreich nur jene Asylbewerber zwei Tage lang an der Einreise gehindert werden können, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben. Nach Ablauf von 48 Stunden, werden sie nur dann zurückgeführt, wenn es mit dem betreffenden Staat oder Österreich ein Abkommen gibt. Italien zum Beispiel lehnt bisher ab, Österreich auch.Den italienischen Innenminister Matteo Salvini von der radikal rechten Lega wird Seehofer an diesem Mittwoch in Innsbruck treffen. Er wolle noch im Laufe des Julis Klarheit darüber bekommen, welche Abkommen zur Rücknahme von Migranten es mit anderen EU-Staaten geben werde, sagte Seehofer. Er erwarte „schwierige Gespräche“, die aber gelingen könnten.
Und wenn nicht? „Je weniger Europa leisten kann, desto mehr gewinnen nationale Maßnahmen an Bedeutung“, machte Seehofer erneut klar. Auch das kann man wohl als Provokation verstehen, wenn man will.
Innenminister Horst Seehofer
Eine Maßnahme aus dem „Masterplan“ habe er schon auf den Weg gebracht, betonte Seehofer: Die Bundesregierung will anerkannte Flüchtlinge verpflichten, in einem nachträglichen Widerrufsverfahren an der Überprüfung mitzuwirken. Wer sich weigert, werde sanktioniert. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf habe er am Montag in die Ressortabstimmung gegeben, so Seehofer.Der „Masterplan“, den Seehofer nun als Innenminister präsentierte, demonstriert Härte gegen Flüchtlinge auf allen Ebenen, zum Thema Integration enthält er wenig. Viele der 63 Maßnahmen sind bekannt, sollen jetzt aber „konsequenter“ oder „entschlossener“ durchgesetzt werden. Andere, wie die sogenannten Ankerzentren will er mit den Bundesländern weiter verhandeln.
Die winken bislang ab. Auch die Entscheidung über Sachleistungen statt Geld für Asylbewerber soll jedes Land selbst treffen.
Doch Seehofers Plan sieht auch neue, konkrete Verschärfungen vor: Die Dauer der eingeschränkten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz will er von bisher 15 auf 36 Monate verlängern, eine Bescheinigung unterhalb der Duldung einführen und das Ausweisungsrecht weiter verschärfen.
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