: Miss Missing
Dass Frauen in Fußballredaktionen unterrepräsentiert sind, bringt Sportjournalistinnen in eine Sonderrolle. Carmen Thomas, Saskia Aleythe und Cathrin Gilbert berichten
Cathrin Gilbert, Sportjournalistin
Von Elisabeth Huther, Toyah Kaufmann und Franziska Wülle
Eine Zeitungsente gab es als Belohnung für die zweite Sendung der ersten Moderatorin des „aktuellen sportstudios“ 1973, Carmen Thomas. „Meine Großtat war, in die Sendung zu gehen und den Verriss live vorzulesen.“ Die Bild-Zeitung hatte geschrieben, Thomas wirke „unsicher und verkrampft“. Der Artikel erschien bereits vor Sendebeginn.
An Frauen, die sich den Weg in den Sportjournalismus gebahnt haben, wurde schon damals ein anderer Maßstab angelegt als an Männer. Ein Grund, weshalb Frauen im Sportjournalismus und vor allem im Fußball noch immer Exotinnen sind?
Aktuell berichten 429 deutsche Sportjournalist*innen von der Fußball-WM aus Russland. 378 von ihnen sind Männer – knapp 90 Prozent. Im Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) ist der Frauenanteil in den letzten 15 Jahren um lächerliche 0,8 Prozent gestiegen, damit machen Frauen aktuell 10,4 Prozent der Mitglieder aus.
45 Jahre ist es her, dass im „aktuellen sportstudio“ zum ersten Mal ein weibliches Gesicht die nationalen Fußballergebnisse präsentierte. „Im Fußball oder im Sport ist das eigentlich immer so“, erzählt die Sportjournalistin Cathrin Gilbert. „Bei Bild war ich eine von hundert, beim Spiegel war ich eine von sechs oder sieben, und bei der Zeit sind auch alle, die um mich herum für den Fußball mitarbeiten, Männer.“ Gilbert ist bei der Wochenzeitung für die Fußballberichterstattung verantwortlich.
Spiegel Online ließ am vergangenen Wochenende Sportjournalistinnen zu Wort kommen, die ihre Erfahrungen mit sexistischem Verhalten in deutschen Sportredaktionen und im Einsatz teilten. Der Sportjournalismus erweckt hier den Eindruck eines eingeschworenen Kreises. Ein Kreis, bestehend aus Männern.
Die Zahl der interessierten Frauen, die ihren Hut für Praktika oder Stellen im Sportjournalismus in den Ring werfen, ist noch immer verschwindend gering. „Das kann auch mit fehlenden Vorbildern zu tun haben“, sagt Saskia Aleythe von der Süddeutschen Zeitung. „Wenn man Frauen nur im Fernsehen als Moderatorinnen sieht und sie in Zeitungen kaum sichtbar als Autorinnen in Erscheinung treten, prägt man natürlich ein Bild davon, was möglich ist im Journalismus und was nicht“.
Zudem sei der Anteil der Fußballberichterstattung ausschlaggebend dafür, dass Autorinnen eher in der zweiten Reihe verschwinden, sagt Aleythe. „Bei Sportarten außerhalb des Fußballs – etwa Biathlon und Schwimmen – sehe ich viel mehr Kolleginnen als im Fußball.“ Aber diese Sportarten finden nicht mit der gleichen Präsenz statt wie der Fußball. „Hinzu kommt, dass viele Redaktionen noch von Männern in einer Generation geführt werden, in der Frauen im Sport und ihrer Berufswelt lange nicht vorkamen“, meint Aleythe, die aber auch einen „Prozess beobachtet, der da gerade in Gang ist. Das Bewusstsein ist jetzt auf jeden Fall da, auch durch die MeToo-Debatte, dass Frauen in Redaktionen wertvoll sind und einen Mehrwert bieten.“
Gerade nehmen Frauen im Sportjournalismus noch eine Sonderrolle ein. „Es ist natürlich so, dass sich sehr viele Menschen lieber mit einer Frau unterhalten, als mit dem hundertsten Mann, der vor ihnen sitzt“, sagt Gilbert. „Wir haben da als Frauen auch Vorteile, die wir nutzen können.“ Vom Gedanken an die Nachteile, die sich ergeben, solle man sich einfach nicht die ganze Zeit dominieren lassen, sondern sich besser auf gute Geschichten konzentrieren und damit überzeugen, sagt die 34-Jährige.
Doch nicht nur den männlich dominierten Sportredaktionen müssen sich Frauen beweisen, sondern auch einem kritischen Publikum. Dieses schreckt vor Kommentaren nicht zurück, wenn es darum geht, dass sich eine Frau mit Fußball auskennt. Das musste Claudia Neumann als ZDF-Kommentatorin der WM der Männer erleben – so auch Gilbert. „Es muss dir egal sein. Und ich selbst habe diese Kommentare unter meinen Artikeln nie gelesen.“ Als Frau müsse man sich in der Anfangsphase gegenüber dem Publikum besonders beweisen, aber danach ließen die Anfeindungen nach.
Thomas glaubt, dass eine andere Strategie den Kreis durchbrechen könnte: Solidarisierung und Netzwerkbildung. Männer machten das ja auch, und zwar sehr erfolgreich. „Aber ich merke sehr deutlich, dass die jungen Frauen die Solidarität wieder verlernen und wieder genauso bescheuert sind, wie wir das früher waren. Das muss sich ändern, um eine Chance gegen den herrschenden Sexismus zu haben.“
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