: Wahl wohl manipuliert
Prozess wegen Wahlfälschung endet
Von Harff-Peter Schönherr
Quakenbrück ist ein beschauliches Nest im Artland, Landkreis Osnabrück, und hier passiert eher nichts, was Aufsehen erregt. Das galt zumindest bis zur niedersächsischen Kommunalwahl im September 2016. Allzu auffällig war das Ergebnis für den Stadtrat Quakenbrück: 21,55 Prozent für Die Linke, satte sieben Sitze, vier Sitze mehr als 2011, als drittstärkste Kraft hinter CDU und SPD. Eine extreme Diskrepanz zu den dürftigen 3,23 Prozent, die sie kreisweit eingefahren hat. Die Briefwahl gerät unter Verdacht: Warum punktet Die Linke hier so, während die Stimmen für sie in vielen Wahllokalen nur höchst spärlich tröpfeln? Hat jemand die Wahl manipuliert?
Der Wahlleiter prüft, ruft die Staatsanwaltschaft an: Hausdurchsuchungen, Anklage, Prozess, Wiederholung der Briefwahl. Bei der zweiten Briefwahl am 5. März 2017 verliert Die Linke deutlich an Stimmen. Die Vorwürfe haben es in sich: Briefwahl-Unterlagen sollen aus Briefkästen entwendet, Unterschriften gefälscht, Migranten und Kranke beeinflusst worden sein – 40 Anklagepunkte kommen zusammen.
Jetzt fehlt nur noch das Urteil der 12. Großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück. Das soll am Montag fallen. „Nicht gerade unser tägliches Geschäft“, sagt Katrin Höcherl, Richterin am Landgericht. „Wer bundesweit vergleichbare Fälle sucht, kann die an den Fingern einer Hand abzählen.“ Mehr als 60 Zeugen wurden vernommen.
Einer der fünf Angeklagten ist der Krim-Annektionsbefürworter Andreas Maurer, Fraktionsvorsitzender der Linken sowohl im Artländer Samtgemeinde- als auch im Quakenbrücker Stadtrat, zudem Kreistagsabgeordneter im Landkreis Osnabrück. Einen Tag nach der Kommunalwahl begründete der Kreml-freundliche Sender „RT Deutsch“ Maurers „sensationelles Ergebnis“ so: „Engagement mit eigener Haltung kann sich auszahlen.“ Eigene Haltung? Die Strafkammer hat ein anderes Wort dafür: Verdacht der Wahlfälschung. Maurer bestreitet die Vorwürfe.
Die Staatsanwaltschaft plädiert auf Haftstrafen, teils ohne Aussetzung zur Bewährung. Die Verteidigung hofft auf einen glimpflichen Ausgang – also auf Freisprüche. Am Montag entscheidet sich für die vier linken Kommunalpolitiker also nicht nur ihre politische Zukunft.
Wie die Sache ausgeht? Galina Krieger könnte Maurer einen Hinweis geben. Sie erhielt bei der Kommunalwahl 2016 ebenfalls auffällig viele Briefwahlstimmen und Anfang 2018 vom Amtsgericht Bersenbrück dafür die Quittung: achtmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung und 4.000 Euro Geldbuße wegen Wahlbetrugs. Ihr Ratsmandat hat sie zurückgegeben, ihr FDP-Parteibuch auch.
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