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Ein guter Rat für den RBB

Der Rundfunkrat des RBB soll einen Behinderten-vertreter auf-nehmen. Das fordert Christian Specht, Mitglied im Vorstand der Lebenshilfe. Einen solchen Beschluss müssten die Landesparlamente fassen. Doch in Berlin zeigt man sich zögerlich

Von Andreas Hergeth

Christian Specht regt sich auf – mal wieder. Nach dem obligatorischen „Schönen guten Morgen!“ kommt die Frage, die – ginge es nach seinen Wünschen – sofort in einen Artikel für die nächste taz-Ausgabe münden würde. „Was hältst du davon, einen Behindertenvertreter in den RBB-Rundfunkrat zu schicken?“, hat er mich schon oft gelöchert. „Leider grad keine Zeit“, lautete lange meine Antwort.

Aber Specht (49) hat ja recht, in vielerlei Hinsicht. Mit seiner Forderung allemal. Und mit seiner Vorgehensweise. Specht, der Aktivist, ist ein perfekter Netzwerker, der in Berlin Hinz und Kunz kennt, vor allem viele PolitikerInnen und eben Medienleute.

Das stete Wiederholen seiner Forderungen ist nicht nur clever. Es ist vor allem glaubwürdig. Denn Specht hat selbst eine Behinderung und er weiß sehr viel über Menschen mit Behinderungen, ihre Sorgen und Nöte sowie ihre Rechte.

Christian Specht kann nicht lesen und schreiben, das hindert ihn aber nicht daran, fachkundig seine Meinung zu äußern und Lobbyarbeit im besten Sinne zu betreiben – eben auch in der taz, wo er seit vielen Jahren einen Schreibtisch im Konferenzraum hat.

Jetzt, lieber Christian – wir duzen uns natürlich –, ist es so weit. Hier kommt dein Wunschtext.

Der RBB-Rundfunkrat setzt sich aus 30 Mitgliedern zusammen. So ist es im RBB-Staatsvertrag festgelegt. In einer vierjährigen Amtszeit sollen diese das öffentliche Leben und damit die Allgemeinheit der Länder Berlin und Brandenburg vertreten.

Was „Allgemeinheit“ bedeutet, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Man kann die Zusammensetzung des RBB-Rundfunkrates als konservativ, gelinde gesagt altbacken, bezeichnen – denn gesellschaftlich relevante Gruppen fehlen. Ein Vertreter der muslimischen Verbände? Fehlanzeige. Jemand, der die queere Community vertritt? Pustekuchen. Ein Sinti- und Roma-Verband? Wieder nein. Eine Organisation, die sich gezielt für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzt? Dito.

Dabei wäre ein Vertreter für Menschen mit Behinderung ein Zeichen der Akzeptanz gesellschaftlicher Realitäten, soll der Rundfunkrat als Kontrollorgan doch die Interessen der gesamten Bevölkerung vertreten.

Wichtig ist dabei: Wer im Rundfunkrat sitzt, bestimmt zwar nicht über die Programme des RBB, hat aber durchaus strategischen Einfluss. Der Rat wählt die Intendantin oder den Intendanten und berät in „allgemeinen“ Angelegenheiten. Auch überwacht er das bereits ausgestrahlte Programm auf die Einhaltung des in Paragraf 3 des RBB-Staatsvertrages formulierten öffentlich-rechtlichen Auftrags. Dort sind in Abschnitt 4 Menschen mit Beeinträchtigungen ausdrücklich erwähnt: „Bei der Gestaltung seiner Angebote berücksichtigt der Rundfunk Berlin-Brandenburg alle gesellschaftlichen Gruppierungen, insbesondere die Anliegen von Menschen mit Behinderungen und die Anliegen der Familien und Kinder.“

Andere Rundfunkräte sind in dieser Hinsicht bereits weiter. Im ZDF-Fernsehrat, der 60 Mitglieder zählt, sind je ein Vertreter aus den Bereichen Migranten, Muslime, LSBTTIQ (Lesbische, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und queere Menschen) sowie ein Vertreter für den Bereich „Inklusive Gesellschaft“ dabei. Im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks, der 50 Mitglieder zählt, ist die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung vertreten.

Und in Berlin-Brandenburg?

„Die Strukturen müssen aufgebrochen werden“, sagt Ludger Gröting, erster Vorsitzender der Lebenshilfe Berlin. „Wir sind der Überzeugung, dass uns Sitz und Stimme im Rundfunkbeirat im Sinne der Teilhabe zustehen und wir auch in diesem Gremium gehört werden müssen.“

Gröting kennt Christian Specht seit vielen Jahren. Seit Mai 2017 ist Specht Mitglied im Vorstand der Lebenshilfe. „Er ist ein vollumfängliches Vorstandsmitglied, und das nicht wegen irgendeiner Quote“, unterstreicht Gröting. „Auf eigenen Wunsch ist der Sitz eines Behindertenvertreters im RBB-Rundfunkbeirat eines seiner Themen. Ich unterstütze voll und ganz diese Forderung. Christian Specht ist damit immer wieder auf Widerstände gestoßen. Aber er lässt nicht locker.“ Eine schöne Beschreibung von Spechts Hartnäckigkeit.

Die Vorstände der Lebenshilfe – mit Specht fünf an der Zahl – haben einstimmig beschlossen, ihn in seinem Kampf zu unterstützen. „Er stimmt sich zu diesem Thema mit uns ab und kann im Namen der Lebenshilfe sprechen“, sagt Gröting.

Ein erster Erfolg und Höhepunkt von Christian Spechts Lobbyarbeit: Am 15. Mai lud die Lebenshilfe zu einem Parlamentarischen Abend ins Abgeordnetenhaus ein, es ging um behindertenpolitische Themen und darum, mit Parlamentariern ins Gespräch zu kommen. Christian Specht nutzte den Termin, um seine Forderung bezüglich des Rundfunkrats vorzustellen.

„Das ist auch eine langjährige Forderung von uns“, sagt Dominik Peter. „Wir finden das sehr wichtig.“ Peter ist Vorsitzender des Berliner Behindertenverbandes; auch er kennt Christian Specht und seine Arbeit gut. „Ich fühle mich als Behinderter nicht durch den Beamtenbund oder Landesfrauenrat vertreten“, formuliert es Peter. „Und auch nicht durch die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die zwar ein breites Spektrum durch ihre jeweiligen Mitgliedsverbände hat – aber Behindertenarbeit zählt nun einmal nicht zu ihrem originären Geschäft.“

Gerade der Sitz eines Vertreters der Wohlfahrtsverbände wird gerne ins Feld geführt, wenn es darum geht, die Rufe nach einem Behindertenvertreter im Rundfunkrat abzuwehren. So nach dem Motto: Wohlfahrtsverbände würden sich ja auch um Menschen mit Behinderung kümmern. Ein anderes Problem sieht Peter „in der großen Zahl der im Rundfunkrat sitzenden Politiker. Wenn ich richtig zähle, sind dort allein drei SPDler vertreten.“ Er hat richtig gezählt.

Peter hat einen konstruktiven Vorschlag, um den Belangen vieler gesellschaftlicher Gruppen gerecht zu werden und den Rundfunkrat zahlenmäßig nicht ausufern zu lassen: „Ich kann mir gut vorstellen, dass die Verbände turnusmäßig von Wahlperiode zu Wahlperiode rotieren.“

Was davon kann sich die Vorsitzende des RBB-Rundfunk­rates vorstellen?

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