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Kommentar Seehofer und Bamf-AffäreMehr Redlichkeit und Präzision, bitte!

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Dass der Innenminister der Bremer Bamf-Außenstelle vorerst verbietet, Asylanträge zu bearbeiten, ist richtig. Nun muss er für Qualitätskontrolle sorgen.

Geflüchteten Menschen, die ihr Glück in Bremen suchten, ist kein Vorwurf zu machen Foto: dpa

A uch wenn es schwerfällt: Horst Seehofer verdient Lob. Dass der Bundesinnenminister der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Mi­gra­tion und Flüchtlinge (Bamf) bis auf Weiteres verbietet, Asylanträge zu bearbeiten, ist richtig. Seehofer sendet eine klare Botschaft: Der Staat handelt schnell und entschlossen, um Missstände abzustellen. Solche Signale sind wichtig, auch wenn sie die tiefer liegenden Ursachen erst mal nicht beheben.

Denn das, was in Bremen passierte, zerstört das Vertrauen vieler Menschen in den Rechtsstaat. Behörden erfüllen einen öffentlichen Auftrag, sie haben sich an das geltende Recht zu halten. Eine Amtsleiterin, die 1.200 Asylanträge ohne ausreichende Prüfung bewilligt, mag gutherzig oder schlicht überfordert sein. Dennoch handelt sie falsch. Solche Behördenfehler verstärken das bei diesem heiklen Thema sowieso große Misstrauen vieler Menschen. Sie spielen den Rechtspopulisten in die Karten.

Bei der Aufklärung der Affäre ist entscheidend, rational, redlich und genau vorzugehen. Ob Seehofer dazu in der Lage ist, muss er erst noch beweisen. Den geflüchteten Menschen, die ihr Glück in Bremen suchten, ist kein Vorwurf zu machen. Wer würde nicht in einer existenziellen Situation nach jedem dünnen Strohhalm greifen? Aber im auf Tempo getrimmten Bamf sind viele Reformen notwendig. Entscheidend wäre zum Beispiel, eine vernünftige Qualitätskontrolle einzuziehen – die Organisationen wie ProAsyl seit Jahren fordern. Nur käme dabei etwas anderes heraus als das, was sich die CSU wünscht.

Viele Entscheidungen des Bamf sind ja deshalb mangelhaft, weil sie Geflüchtete benachteiligen. Rund 40 Prozent der AsylbewerberInnen, die vor Verwaltungsgerichten klagen, bekommen Recht. Hier liegt ein weitaus bedeutenderer Skandal als der in Bremen, ohne dass er groß in der Öffentlichkeit thematisiert würde. Warum nur?

Auch das Spiel, das FDP und AfD im Moment aufführen, ist unwürdig. Angebliche Liberale und Rechtspopulisten gerieren sich Seit’ an Seit’ als Aufklärer, indem sie lautstark einen Untersuchungsausschuss fordern. Ihnen geht es aber nicht um die Bremer Fehler. Sie wünschen sich eine grell ausgeleuchtete Bühne, um einmal mehr gegen Merkels Flüchtlingspolitik im Jahr 2015 zu polemisieren. Ein Untersuchungsausschuss aber soll nüchtern aufklären, er braucht einen klar zugeschnittenen Auftrag. Auch hier, bei der schärfsten Waffe des Parlaments, hilft Präzision. Es ist gut, dass sich die Grünen dieser Inszenierung verweigern.

Anders sähe es bei einem Untersuchungsausschuss aus, der sich tatsächlich mit der Bremer Bamf-Affäre beschäftigte. Ein solcher wäre angesichts der Wucht des Themas bedenkenswert. Aus Angst vor der AfD auf Aufklärung zu verzichten, ist auch keine Lösung.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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20 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Kurios. In einem anderen taz Artikel wird das Handeln der Bamf Leiterin in Bremen mit dem Widerstand gegen das Naziregime verglichen und ein Verdienstorden für die Frau gefordert. Ja wie denn nun?

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Was läuft hier eigentlich, wenn die hier Schreibenden, wie Herr Nikitin, dermaßen beleidigt werden?

    Das sind solch üble Unterstellungen.

    Das zeigt ganz deutlich, wessen Geistes Kind diejenigen sind, die ein solch bösartiges verhalten an den Tag legen.

  • Der Kommentar ist genauso unsäglich und zynisch wie der gegenwärtig durch alle Medienkanäle geblasene Sturm des Rassismus. Kann mir hier vielleicht mal eine*r erklären, warum der Skandal in einer humanistischen - und deshalb abweichenden - Praxis der Verwaltung liegen soll? Der eigentliche Skandal ist doch die rassistische Entscheidungs- und Abschiebepraxis! Und ich finde es bedauerlich, dass es nicht mehr Menschen im öffentlichen (Staats-) Dienst gibt, die sich auch nur ansatzweise dieser Praxis entziehen oder entgegen stellen. Vielleicht zum Schluss noch ein alter Slogan: wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!

  • Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wäre genau das Richtige, egal welche Partei den nun anstößt!

     

    Die 40% fehlerhaften Antragsbearbeitungen sind schließlich nicht alle in Bremen erstellt worden, sondern auf Grund der schlechten Flüchtlingspolitik von der Regierung Merkel, speziell nach September 2015.

     

    Nach diesem Datum wurden derart viele Versuche unternommen, die Flüchtlingsproblematik mit kurzfristig getroffenen, unrichtigen Entscheidungen einzudämmen, so dass sich derart viele rechtliche Fehler eingeschlichen haben, zu ungunsten der Asylbewerber!

     

    Merkel und ihre große Koalition sind auch heute nicht mehr in der Lage die Bamf so aufzustellen, wie es für eine richtige, gesetzeskonforme Handlungsweise nötig wäre!

     

    Wenn man dann diesen Schwachkopf Dobrindt mit seinen völlig indiskutablen Aussprüchen hört, sieht man doch erst wie verfahren die ganze Situation überhaupt ist.

     

    "Der Fisch stinkt vom Kopf her" ist in diesem Fall absolut richtig.

    Die Bundesregierung steckt momentan in so vielen unerledigten Dingen fest, ob es um die Ausbildung in den Schulen geht, oder um die Infrastruktur, die auseinander fällt, ob es um die Europapolitik geht, wo sich immer mehr abzeichnet, dass Europa zerfällt, unteranderm weil Merkel und Konsorten keinen Plan haben, wie si sich mit den Ideen von Macron arrangieren soll, alles für Deutschland entscheidende wird auf die lange Bank geschoben, weil Merkel es in altbekannter Manie aussitzen will!

     

    Durch einen Untersuchungsausschuß würde endlich zu Tage treten, dass unsere Volksvertreter nicht viel mehr in dem Sinn haben, als ihren Machterhalt!

     

    Wirkliche, brauchbare, effiziente Lösungen zu den heutigen Problemen wird doch von keinem Mitglied dieser Regierung angeboten.

     

    Das Asylproblem unseres Landes lässt sich sicher nicht damit aus der Welt schaffen, dass Dobrindt dazu plädiert unseren Rechtsstaat abzuschaffen.

     

    Da Deutschland sich durch die schärferen Polizeigesetze weiter vom Rechtsstaat entfernt, wird Kontrolle wichtig!!!

  • Seehofers Reaktion ist nur Show im üblichen Spiel.

    Erst einmal wird die Whistleblowerin abgestraft. Da der Skandal aber schon bekannt ist, wird jetzt die "rücksichtslose Aufklärung" angegangen. Aktionismus zusammen mit einer Konzentration der Staatsanwaltschaft auf Einzelpersonen. Keine Rede davon, dass hier von der Leitung etwas vertuscht werden sollte. Schließlich bleibt die Whistleblowerin als abschreckendes Beispiel abgestraft. Eine einzelne Person wird vor Gericht gestellt - sonst hat niemand etwas gewusst und auch nicht wissen können. Danach Business as Usual.

    Dass es hierbei um Asylanträge handelt, ist für die Art der Vorgehensweise zweitrangig. Gefordert und belohnt wird das kadavergehorsame Schweigen. Wer bei einem Missstand nicht locker lässt, wird als eigentlicher Störfaktor abgestraft. Das ist auch der Grund, weshalb hier Seehofer entgegen seiner politischen Tendenz, falsch-positive Asylanträge gedeckt hat. Um die Sache geht es bei diesem Kadavergehorsam nämlich gar nicht.

  • "Solche Behördenfehler verstärken das bei diesem heiklen Thema sowieso große Misstrauen vieler Menschen. Sie spielen den Rechtspopulisten in die Karten."

     

    Eventuell haben die "Rechtspopulisten" in diesem Fall ja Recht oder ist in allen anderen Bamf Ablegern alles rechtens gelaufen?

     

    "Angebliche Liberale und Rechtspopulisten gerieren sich Seit’ an Seit’ als Aufklärer, indem sie lautstark einen Untersuchungsausschuss fordern."

     

    In diesem Ausschuß soll es aber darum gehen, ob bei der Grenzöffnung die Rechte des Parlamentes übergangen worden sind.

  • Na Mahlzeit. U 2!

     

    "Eine Amtsleiterin, die 1.200 Asylanträge ohne ausreichende Prüfung bewilligt, mag gutherzig oder schlicht überfordert sein......."

     

    "Junger Mann - da wissen Sie mehr wie ich!"

    Um mal einen alten Fuchs & Rheinländer zu zitieren.

    &

    Der stand in seiner Dämlichkeit aber auch mal vor

    "Einem Abjrund von Landesverrat!"

    &

    Mußte dann - lakonisch über den sattsam bekannten Fettnäpfchen-REchtsstaatfreien

    Ur-Spät-Bräu-Bayern FJS - ok das war vor Ihrer Zeit!

    Aber dennoch bekunden "Der junge Mann ist sich noch am Entwickeln."

     

    & daher besser ~>

    Gleich die Urgestein- Version als Schlagobers -;)

     

    Bitte Herr Wöhner +>

     

    "Herr Lüg -- Ich weiß nichts und Sie wissen nichts ... ja werden Sie nicht ungeduldig

    & .........dennoch reden wir hier als ob wir schon alles wüßten..."

    https://www.youtube....h?v=DwH1inbYWJI

     

    Wer wollte hier&heute widersprechen? -

    Danke Herr Wöhner!:)

     

    & deswegen -

     

    Wer sowas verzapft - Muß dess dann auch anschließend -

    So er denn ehrlich ist - Den Müll ganz allein runtertragen.

     

    Sage ich Ihnen- in guter Tradition - doch doch. Die ist ok!

    Sage ich Ihnen " Prost!"

     

    Bitte Herr Wöhrner - Gern doch! (Hier das Orijinol;)

    Sehr freundlich -Wenn sie sich nochmals Bemühen wollen.

    Ja Si ´cher dat & Dank im Voraus.

    https://www.youtube.com/watch?v=sLFMvdgKgCk&app=desktop

     

    Jau & Danke - Onkel Herbert. Ja. Es möge nützen.

  • wie bitte?!

    statts der außenstelle Bremen das entscheiden zu verbieten, sollte mann dem innen-heimat-ministerium die zuständigkeit für's asylrecht entziehen!

    • @christine rölke-sommer:

      Genau. Und wenn man einen Sumpf trocken legen will, fragt man vorher die Frösche.

      • @Nikolai Nikitin:

        falsch!

        frau mann überläßt die entscheidung über asylanträge nicht deutschländerwürstchen!

        • @christine rölke-sommer:

          Deutschländerwürstchen, Grilletta, Broiler, Birkenstocksandalen, weiße Tennissocken, Käseigel und Hawaii-Toast gehören zum nationalen Erbe. Darüber spottet man nicht.

          • @Nikolai Nikitin:

            doch! auch über quarkkeulchen+weißwurst!

      • @Nikolai Nikitin:

        May be.

         

        But. Auf jeden Fall aber - Nicht die Kaulquappen. Woll.

         

        Vor allem - Wenn Sie endgültig auf dem besten Weg sind.

        Zu allgegenwärtigen Breitmaulfröschen zu werden.

        • @Lowandorder:

          Danke für das abermalige nette Kompliment. Bin ich von Ihnen ja gewohnt.

          • @Nikolai Nikitin:

            Na - Si- cher dat. Da mähtste nix. Normal.

             

            Hartmäulig - sanns aach. Bekannt.

            Auch bei Quappen wie Breitmaulfröschen nachgewiesen.

            Siehe - Die Wahrheit - Helmut Höge.

            Gern. Dannichfür & Always at your service.

             

            unterm----------->

            hartmäulig [von Pferden, am Maul unempfindlich]

            hard-mouthed {adj} [of horses, insensitive at the mouth]

            &

            den Zügel nicht fühlend, nicht lenksam

            Beispiele:

            ein hartmäuliger Gaul, Maulesel -

            Aber - Warschau!

            "An seiner Hand trabten auch die hartmäuligsten Krippensetzer fromm wie die Lämmer!"

            Normal!;)

  • Vielen Dank für den Artikel, Herr Schulte, dem ich mit Ausnahme des letzten Drittels zustimme. Zum Ende hin behaupten Sie leider:

     

    'Auch das Spiel, das FDP und AfD im Moment aufführen, ist unwürdig. Angebliche Liberale und Rechtspopulisten gerieren sich Seit’ an Seit’ als Aufklärer, indem sie lautstark einen Untersuchungsausschuss fordern. Ihnen geht es aber nicht um die Bremer Fehler. Sie wünschen sich eine grell ausgeleuchtete Bühne, um einmal mehr gegen Merkels Flüchtlingspolitik im Jahr 2015 zu polemisieren.'

     

    ... und weiter erklären Sie uns:

     

    'Es ist gut, dass sich die Grünen dieser Inszenierung verweigern.'

     

    Geht es vielleicht bitte auch einmal ohne die hier altbekannte Sicht durch die grüne Parteibrille ? AfD und Liberale sind per se also die Bösen, die in altbekannter Manier sicherlich wieder unlauter agieren werden, die Grünen dagegen - wie immer - die Guten, die sich diesem Spiel verweigern ? Sorry, das ist mir zu banal. Man kann auch Merkels (wahrlich missglückte) Flüchtlingspolitik von 2015 mit bloßen Sachargumenten kritisieren ohne zu polemisieren.

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      Guter Kommentar, danke!

    • @Nikolai Nikitin:

      Du scheinst viel Verständnis für die AfD und deren Agenda zu haben. Ich kann an der Partei nichts finden, das nicht zum kotzen anregt. Verlogen, populistisch, hetzerisch, menschenverachtend, mit dem Ideal einer Gesellschaft im Hirn, in welcher jede und jeder seinen angestammten Platz hat und mit der Sehnsucht nach Herrenmenschenherrlichkeit.

      • @Hampelstielz:

        Meine/r liebe/r/s Herr/Frau/Fräulein Hampelstilz, statt AfD und FDP könnten dort genau so gut CDU, SPD, Linke, Piraten oder sonst eine Partei stehen. Mir geht es hier einfach darum, politische Bewertungen nicht durch die grüne (oder eine andersfarbige) Parteibrille vorzunehmen. Schließlich ist die taz ja nicht die Parteizeitung der Grünen. Oder würden Sie sich dies wünschen ? Was die AfD angeht: Sollte sie verfassungswidrig sein, muss sie verboten werden.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Danke, Herr Schulte, für diesen Kommentar.

    Fakt ist aber auch, egal in welcher Notlage ich mich befinde, Betrug ist nicht das richtige Mittel.

    Was ist eigentlich mit den Anwaltskanzleien, die diesen Betrug gefördert haben?

    Darüber hört und liest man wenig.