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Kommentar Bamf-AffäreWie Rassismus wirkt

Viele Asylbescheide sind fehlerhaft. Zum Aufreger wird das erst, wenn zu vielen Menschen Schutz gewährt wird. Der Skandal aber liegt woanders.

Medienrummel vor dem Krisengespräch: Jutta Cordt, Chefin des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) trifft sich am Freitag in Bremen mit Bremens Innenstaatsrat Foto: dpa

Wie rechte Gewalt und rassistische Rhetorik wirkt, lässt sich derzeit in vielen Medien unter den Stichwörtern Bremer Bamf-Skandal, „Asylbetrug“ und weiteren zynischen Vokabeln ablesen. Es heißt, in Bremen und weiteren Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sei Menschen „zu Unrecht“ Schutz gewährt worden. Nachdem Bremen nun keine Asylanträge mehr bearbeiten darf, will Bundesinnenminister Horst Seehofer die Entscheidungen in zehn weiteren Außenstellen prüfen lassen, darunter auch die im schleswig-holsteinischen Rendsburg.

Unbeachtet bleibt dabei, dass Bamf-Stellen 2015 ausdrücklich vom damaligen Innenminister de Mazière (CDU) angewiesen waren, Verfahren von Menschen aus Eritrea, Somalia und Jesiden aus dem Irak zu verkürzen. Den Jesiden, um die es in Bremen geht, drohte im Irak ein Genozid – niemand bestritt ernsthaft, das ihnen das Menschenrecht auf Asyl zustand. Unrechtmäßig kann also höchstens die Art und der Ort sein, wo entschieden wurde, nicht aber die Entscheidungen selbst.

Viel schlimmer ist doch, dass falsche Asylentscheidungen erst dann zum großen Aufreger werden, wenn womöglich zu vielen Menschen Schutz gewährt wurde. Viele Asylbescheide des Bamfs sind fehlerhaft. Für Geflüchtete bedeutet das nicht selten: zurück in den Krieg.

Wo der Fehler liegt, zeigt sich an der hohen Erfolgsquote bei Klagen gegen Bamf-Bescheide vor Verwaltungsgerichten: Die lag 2017 bei 40 Prozent, bei Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan gar bei 60 Prozent.

Wie Rassismus wirkt, zeigt eine Studie der Uni Konstanz zu regionalen Unterschieden bei Asylentscheidungen. Ihr Fazit: Die Anerkennungsquoten sind insbesondere in den Bundesländern niedrig, in denen es zu rechter Gewalt gekommen ist. Eine rechtsextreme Stimmung innerhalb eines Bundeslandes kann sich demnach auch auf Entscheider im Bamf auswirken. Willkommenskultur wird jetzt sanktioniert.

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7 Kommentare

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  • Guten Tag,

     

    1. wäre es sinnvoll. die Begrifflichkeiten nicht zu vermischen. In den meisten Fällen (99%) geht es nicht um Asyl im Sinne von Artikel 16 a Satz GG, sondern um einen anderen (geringeren) Schutzstatus. Abgesehen davon, daß auch Entscheidungen im Sinne von Artikel 16a Satz 1 GG nach spätestens drei Jahren daraufhin überprüft werden müssen, ob der Asylgrund noch vorliegt, halten sich praktisch alle Asylbewerber illegal im Land auf (s. dazu Artikel 16a Satz 2 ff GG, die einschlägigen §§ des Asylgesetzes z.B 26a, 29a sowie ein entsprechendes Gutachten des WD aus dem Mai 2017). Vor diesem Hintergrund hätten alle Bewerber (auch die aus Bremen) abgewiesen werden müssen.

     

    2. Bei den Klagen gegen BAMF-Bescheide geht es in der Regel um formale Fehler im Verfahren und das Erklagen eines höheren Schutzstatus. Asyl im Sinne des Artikel 16a Satz 1 GG ist in den seltensten Fällen (s.o.) das Ergebnis.

     

    Im Übrigen müßten mittlerweile alle Iraki wieder in ihre Heimat zurückkehren, weil dort der Fluchtgrund (so er überhaupt bestand) entfiel. Mehr als 99% der Schwarz-Afrikaner haben ohnehin keinen anerkennenswerten Fluchtgrund, sondern kommen aus wirtschaftlichen Gründen. Selbst die meisten Syrer kommen nicht direkt aus Kriegsgebieten, sondern aus den Lagern in den Nachbarländern (z.B. Libanon oder der Türkei) nach Deutschland.

     

    Demnach handelt es sich bei dem Vorgang nicht um das Ergebnis einer „rassistischen“ Stimmung in Deutschland, sondern um klare Verstöße gegen geltendes Recht, die gleichwohl ihre Wurzel nicht im BAMF und/oder einer seiner Außenstellen, sondern in politischen Fehlentscheidungen der damaligen Bundesregierung haben, die leider unter der neuen Regierung trotz markiger Sprüche des Innenministers Seehofer nicht korrigiert werden.

  • Begriffe sind immer nur Hilfsbegriffe, selbst in der Naturwissenschaft. Undefinierte Begriffe führen zwangsläufig zu Missverstehen. Aus Missverstehen wird schnell Wut. Das wollen wir nicht. Also werden wir vorsichtig im Umgang mit Begriffen, mögen sie uns auch noch so klar vorkommen. Der andere denkt anders. Ganz brisant wird es, wenn es um „Rassismus“ geht. Dazu schlage ich folgende Umschreibung vor:

    Wenn ich Menschen, einzeln oder in Gruppen, wegen äußerer, nicht veränderbarer Besonderheiten anders behandle als Menschen, die nicht diese Besonderheiten aufzeigen, nennt man diese meine Einstellung zu Mitmenschen „rassistisch“. Sich rassistisch zu verhalten, ist in vielen Gegenden dieser Welt, allemal in Europa und besonders in D und in HB, verboten und wird, je nach Landessitte, bestraft.

    Beispiel: seit Jahren kommen zu uns nach Deutschland und eben auch nach Bremen Menschen dunkler Hautfarbe und mit schwarzen Haaren und braunen Augen. Ihren Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung (nur) deswegen abzulehnen, wäre ein rassistischer Akt.

    Die Konsequenz darauf: Es wäre ebenso ein rassistischer Akt, wenn ich diesen Menschen (nur) wegen äußerer, nicht veränderbarer Besonderheiten das Recht zuspreche und einräume, in Deutschland oder eben auch in Bremen zu wohnen.

    Martin Korol, Bremen

  • „… angewiesen waren, Verfahren von Menschen aus Eritrea, Somalia und Jesiden aus dem Irak zu verkürzen…“

    Das ist ein skandalöses Argument. Die Entscheider war nicht angewiesen, jedem Kurden ungeprüft zu glauben, dass er ein Jeside war. Und das Gleiche gilt natürlich auch für angebliche Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia. Hier wird der Eindruck erweckt, als hätten sich die bewusst gegen das Recht verstoßenenden Entscheider im Grunde an Anweisungen von de Maizière gehalten. Nein, Sie haben aus eigener Machtvollkommenheit einfach bewusst die Pflicht verletzt, die Indentität und Herkunft des angeblichen Flüchtlings zu prüfen. Und abwegig ist auch, einen Zusammenhang zwischen AFD Anhängern und den Entscheidungen jetzt so stellen. Die AFD hatte niemals irgend einen Einfluss auf die Entscheidungen von BAMF Mitarbeitern. Aber richtig ist wohl, dass ein linkes Umfeld wie in Bremen dazu führt, dass Rechtsgrundsätze nicht beachtet werden.

  • Sorry, aber das mit der hohen Erfolgsquote bei Klagen gegen Bamf- ist - um nicht das böse Wort der Fake-News zu verwenden - eine doch arg verkürzte Betrachtungsweise.

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article176358388/Migration-Nur-wenige-abgelehnte-Asylbewerber-haben-mit-Klage-Erfolg.html

    • @Sophokles:

      Seltsamerweise aber stehen die behaupteten Zahlen in der Welt im absoluten Widerspruch zu den Zahlen, die die Bundesregierung veröffentlich hat.

      In dem im Artikel verlinkten Dokument steht für 2017:

      146.168 Gerichtsentscheide zu Asylfragen

      Darunter:

      81 mal Art16a + Familienasyl

      2113 mal subsidiärer Schutz

      23681 mal Flüchtlingsschutz (GFK)

      und 6611 mal Abschiebungsverbot

      Diese Zahlen ergeben schon 30292 Urteile, die direkt für Abschiebungen relevant waren.

      Selbst aus der Gesamtzahl aller Urteile berechnet, ergibt das eine Quote von 20% (ohne dabei zu berücksichtigen, dass von der Gesamtzahl alle Verfahren abgezogen werden müssten, bei denen es nicht um GFK oder Abschiebungsverbot ging, damit würde die Zahl nochmal deutlich höher.)

       

      Man muss dem Herrn Thym daher leider vorwerfen, dass seine Zahlen reine Fantasie sind, und mit den tatsächlich verbrieften Zahlen in keinerlei Zusammenhang stehen.

       

      Und dabei ist die ganze Argumentation für sich genommen irrelevant:

      Das Thema ist:

      Wenn, egal aus welchen Gründen, zuviel Asyl gewährt wird, wird laut rumgeschrieen.

      Für die Bewertung ist es daher irrelevant, welcher Art die illegalen Bescheide zu Ungunsten von Flüchtlingen waren. Relevant ist allein, dass bei sehr sehr sehr sehr sehr viel mehr Flüchtlingen illegal gegen sie entschieden wird, als illegal für sie.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Zum Part "Viele Asylbescheide des Bamfs sind fehlerhaft. [...]

    Wo der Fehler liegt, zeigt sich [...] bei Klagen gegen Bamf-Bescheide vor Verwaltungsgerichten".

     

    Wie war das mit Fehlern 1. Art und 2. Art!?

     

    (a) Gegen viele ablehnende Bescheide wurde geklagt -von denen die Dobrint so sehr mag- und die Ablehnungen haben oft vor Gericht keinen Bestand gehabt.

    => OK, es gibt also eine Menge Fehler 1. Art: "Falsche Ablehnungen". Nicht gut.

     

    (b) Aber was passiert eigentlich (bisher) in Bezug auf Fehler 2. Art: Falsche Anerkennungen?

    Das BAMF wird sicher nicht gegen seine eigenen Bescheide klagen.

    Kommt da überhaupt jemand in Frage, der das tun könnte/würde?

    Eher wohl: Nein.

    Und wo kein Kläger, da kein Richter.

    => Über das Ausmass an Fehlern 2. Art (Falsche Anerkennungen) kann man bisher keine seriösen Aussagen machen.

    Und somit eben auch nicht darüber, welche Art Fehler häufiger ist.

     

    Daher: Da wohl nur gegen die eine der zwei Arten falscher Entscheide überhaupt Klagen stattfinden, ist eine Aussage "Wo der Fehler liegt, zeigt sich [...] bei Klagen gegen Bamf-Bescheide" nicht sehr fundiert.

    • @82732 (Profil gelöscht):

      Bei Fehler 1. Art habe ich kaum eine politische der mediale Reaktion erlebt.

      Bei Fehler 2. Art wiederum wird eine 10 köpfige Mannschaft mobilisiert, in der ÖR heißt es nun dass das vertrauen eines staatliche Instituts in frage gestellt werden muss usw...

      Es sollen Anträge ab das Jahr 2000 überprüft werden?

      Es gibt überhaupt nicht die Absicht Fehler der 1. Art mit der der 2. Art zu vergleichen. Nur die Art der Aufklärung ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten:-)

       

      bon weekend