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Liberale Frauen-Vorsitzende über Gender„Wir wollen keine Castingshow“

Anfang der 70er Jahre war die FDP die erste Partei, die für Gleichberechtigung eintrat. Katja Grosch möchte, dass Frauen sich bei den Liberalen wieder wohler fühlen.

Doch, es gibt schon Frauen in der FDP, aber die Männer machen sich ganz schön breit Foto: dpa
Patricia Hecht
Interview von Patricia Hecht

taz: Frau Grosch, der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat vergangene Woche angekündigt, die FDP weiblicher machen zu wollen. Dank Brüderle und Kubicki gilt die Partei als Hort der Machos und Herrenwitze. Kann Lindner überhaupt Erfolg haben?

Katja Grosch: Auf jeden Fall. Es gibt genügend Frauen bei der FDP, die wie ich seit vielen Jahren für die Gleichstellung eintreten. Ich freue mich sehr, dass das jetzt auch in der Parteispitze angekommen ist.

Bisher scheint das Engagement nicht viel genützt zu haben. Ihr Frauenanteil liegt bei einem knappen Viertel, im FDP-Präsidium sind fünfzehn Männer und drei Frauen. Warum?

Natürlich gibt es bei der FDP zu wenig Frauen. Ich selbst bin aber erst seit drei Jahren dabei – was vorher war, dazu kann ich nichts sagen. Allerdings hatte die FDP schon einmal große Ziele für Frauen: Anfang der 70er Jahre war sie die erste Partei, die für Gleichberechtigung eingetreten ist. Das ist unterwegs vielleicht irgendwann verloren gegangen.

Der Kampf um Gleichberechtigung ist deutlich älter als die FDP.

Aber wir waren die erste Partei, die das ins Wahlprogramm aufgenommen hat. Es ist doch so: Frauen und Männer sind verschieden, ja, aber die Gesellschaft verändert sich. Nun müssen wir zu einem Konsens finden, mit dem alle leben können. Ich glaube, dass in der Gesellschaft mittlerweile auch angekommen ist, dass Frauen viel dazu beitragen können, was Männer ergänzt.

Geht es Ihnen um Ergänzung oder um eigene Inhalte?

Uns geht es um Inhalte. Wir haben eine Arbeitsgruppe von zwölf Frauen und zwei Männern eingesetzt, zu der ich auch gehöre. Wir haben schon einen Maßnahmenkatalog erstellt, den wir jetzt abarbeiten wollen. Die Ergebnisse werden wir auf unserem Bundesparteitag im Mai vorstellen.

Worum wird es gehen?

Es wird ein Prozess sein: Wir werden uns mit gendergerechter Sprache beschäftigen, mit der Frage, ob die FDP ein frauenfreundlicher Arbeitgeber ist, mit der Frage, ob wir die Quote brauchen, um mehr Frauen in die Partei und den Vorstand zu bringen oder ob das freiwillig geht. Haben wir Vorbilder? Welche Mentoringprogramme greifen und sollen intensiviert werden, welche Kampagnen können wir fahren? Wie können Beruf und Familie besser vereinbart werden? All so etwas. Aber das wird alles erst erarbeitet.

Wie erleben Sie selbst die FDP – wo sehen Sie die größten Baustellen?

Ich persönlich habe keine negativen Erfahrungen gemacht. Aber wir müssen daran arbeiten, dass sich Frauen bei uns wohler fühlen. Wir brauchen mehr Frauen, die uns unterstützen, die aktiv mitmachen wollen. Gleichzeitig wollen wir keine Castingshow à la Heidi Klum, nur um mehr Frauen ins Boot zu holen. Uns geht es um Inhalte.

Sie sind Vorsitzende der Liberalen Frauen. Die FDP schlägt in der Debatte um den Paragrafen 219 a einen Kompromiss vor, die Liberalen Frauen wollten ihn abschaffen. Haben Sie diesen Machtkampf gegen die Männer verloren?

Wir vertreten unsere Meinung und die ist: Die Frau muss selbstbestimmt sein und sich unter Zugang zu allen relevanten Informationen für oder gegen ein Kind entscheiden können. Wir sind ganz klar für die Abschaffung des Paragrafen 219 a und arbeiten daran auch weiter.

Im Interview: Katja Grosch

47, ist Vorsitzende der Liberalen Frauen in der FDP. Sie lebt in Erfurt.

Die Liberalen Frauen sind entstanden, weil FDP-Frauen Kritik an der Frauenförderpolitik der eigenen Partei hatten. Wenn die Frauen jetzt gefördert werden – braucht es Ihre Vereinigung dann noch?

Die wird es immer brauchen. Es gibt einfach Themen, die nur Frauen betreffen und die insofern auch nur von Frauen behandelt werden sollten. Der Paragraf 219 a StGB zum Beispiel schränkt die Informationsfreiheit von Frauen in empfindlicher Weise ein und sollte ersatzlos gestrichen werden. Da haben die Einwürfe unseres Gesundheitsministers Jens Spahn einfach nichts zu suchen.

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6 Kommentare

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  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Mir kommt mein Jamie Oliver - Bohneneintopf hoch, wenn ich lese, dass die FDP als liberal bezeichnet wird. Wirtschaftsliberal beinhaltet den Begriff zwar, verkehrt ihn aber ins Gegenteil. Liberalismus schützt das Individuum vor der Macht anderer, z.B. der Wirtschaft. Wirtschatsliberalismus schützt die Wirtschaftsmacht.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      Sie haben Liberalismus nicht verstanden.

       

      Die moderne Linke hat einige Elemente des Liberalismus adaptiert. Darüber haben viele Linke verlernt zwischen liberalen und Ur-Linken Themen zu unterscheiden. Der Irrweg führt dabei oftmals über Begriffe wie "positive Freiheiten". Diese Unterscheidung gab es, als der Liberalismus entstand, überhaupt noch nicht. Diese im Nachhinein entstandene Doppeldeutigkeit ist zum Verständnis des Liberalismus nicht hilfreich.

       

      Wie krass der Begriff teilweise falsch verstanden wird erkennt man daran das die Grünen immer mal wieder als liberale Partei bezeichnet werden.

  • Ich würde der FDP durchaus zutrauen das sie geschlossen für die Abschaffung von §219 eintritt aber der Kompromissvorschlag ist ja nicht gemacht worden um Männer in der FDP zu besänftigen, sondern um den Brückenschlag zur Union überhaupt möglich zu machen.

     

    Abgesehen davon ist Gleichberechtigung natürlich im Kern ein liberaler Wert, sowie die Menschenrechte im Kern eine liberale Idee sind.

    Ein großes Problem im Diskurs ist das viele den Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung nicht verstehen (wollen). Gleichstellung und Gleichberechtigung sind miteinander nicht zu vereinbaren. Nur wer glaubt das jeder Unterschied zwischen Männern und Frauen anerzogen ist kann die beiden Begriffe miteinander verwechseln ohne mit seiner Logik zu brechen.

     

    Für Gleichbereichtigung bin ich uneingeschränkt, Gleichstellung hingegen ist etwas das nur autoritäre Sozialingenieure gutheißen können.

    • @Januß:

      Der Vorschlag der FDP zur Änderung des § 219a StGB ist gut, aber er wird nicht propagiert. Wieso so still?

  • Die FDP steht für Gleichberechtigung. Das ist eine typisch liberale Position - gleiche Rechte. Die anderen Parteien (Ausnahme AfD) stehen in unterschiedlicher Intensität für eine Abschaffung der Gleichberechtigung um Chancengleichheit zu erreichen oder sogar noch einen Schritt weiter um Ergebnisgleichheit zu erreichen.

    Die FDP stand nie für Chancengleichheit - auch in anderen Bereichen nicht. Jegliches staatliches Umverteilen ist ihr zuwider. Von daher ist es kein Wunder, dass die FDP zwar ein Vorreiter für Gleichberechtigung ist, aber bei den davon deutlich unterschiedlichen Themen Chancengleichheit oder Ergebnisgleichheit (Quote) auf der Bremse steht. Das ist kein Widerspruch, sondern das ist konsequent liberale Politik.

    Wenn ich dem, der viel hat und demjenigen, der wenig hat, gleich viel gebe (oder abverlange), so ist das Gleichberechtigung. Individuelle Chancengleichheit versucht das zu kompensieren. Sexistische Chancengleichheit - wie sie von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linke teilweise noch propagiert wird, pauschaliert die Chancen einer Person an Hand des Geschlechts und bevorzugt Frauen pauschal - egal ob sie tatsächlich unterprivilegiert sind oder nicht. So wird dann der arbeitslose Hauptschüler heruntergestuft zu Gunsten der Vorstandsvorsitzenden mit dickem Vermögen. Aber inzwischen haben sich CDU/CSU, SPD, Grüne und Linke auch von dieser Politik verabschiedet. Inzwischen zählt das Ergebnis. Sind bei einer wie auch immer zustande gekommenen Auswahl mehr Männer als Frauen herausgekommen, so schreien sie "Diskriminierung". Wenn umgekehrt mehr Frauen ausgewählt wurden, wird das aber als positiv bewertet. Ob sich Frauen einfach nicht beworben haben, schlechter qualifiziert waren, die selben oder bessere Chancen hatten, spielt dann keine Rolle mehr. Das aber ist eine Politik, die den liberalen Prinzipien auf den Kopf stellt und daher von den echten, nicht opportunistischen Liberalen abgelehnt wird.

  • Gedankenexperiment: Die FDP bekommt ne Frauenquote in Vorstand und Mandatsträgerschaft, schreibt ihre Texte gendergerecht und betreibt ihre Büros mit Ökostrom.

     

    Dafür viel Lob und steigenden medialen Zuspruch.

     

    Ihr Programm bleibt aber weiter „FDP“ - neoliberal.

     

    Was genau ist dabei gewonnen?