Aktionstage „Mietenwahnsinn“ in Berlin: Gelassener dezentraler Auftakt

Mit vielen kleinen Interventionen wollen Aktivist*innen auf ihre mietenpolitischen Anliegen hinweisen – und auf die Großdemo am 14. April.

Menschen sitzen auf Stühlen auf einer Straße

Symbolische Besetzung der Skalitzer Straße in Berlin-Kreuzberg Foto: Erik Peter

BERLIN taz | „Akribisches Mahnwesen“ und die „Einleitung von Räumungsklagen“ annonciert die Hausverwaltung Martina Schaale neben vielen anderen Dienstleistungen als besondere Kompetenzen auf ihrer Webseite. Was für Eigentümer auf einem immer enger werdenden Markt stark nachgefragte Qualifikationen sein mögen, empört die Mieter einer Weddinger Wohngemeinschaft aus der Dubliner Straße 8. Am frühen Donnerstagmorgen sind sie mit Freund*innen vor das Büro der Hausverwaltung in der Charlottenburger Kantstraße gezogen und machen dort auf ihren seit Jahren währenden Kampf um ihre Wohnung aufmerksam. Denn die soll am 25. April geräumt werden.

Ihr Protest ist Teil des Auftakts der berlinweiten Aktionstage gegen Verdrängung und für einen radikalen Wechsel der Mieten- und Wohnungspolitik, die am 14. April in eine Großdemonstration münden sollen. Bereits am Mittwoch Nachmittag begannen die dezentralen Aktionen der Aktiven in verschiedenen Berliner Bezirken, mit einem Schwerpunkt auf Kreuzberg. So hatte die Initiative Bizim Kiez mit einer symbolischen Besetzung der Kreuzung Skalitzer/Schlesische Straße ihre erste Mobilisierungsaktion der heißen Phase begonnen.

Gut gelaunt machten es sich die Aktiven der Initiative während der Grünphasen der Fußgängerampel auf der Straße gemütlich, verteilten Flyer an Passant*innen und Autofahrer*innen, die mehrheitlich wohlwollend interessiert die Information über die Aktionstage annahmen. Überhaupt ist der dezentrale Charakter bestimmend für die Mobilisierungsphase. Verschiedenste Gruppen wollen in Kiezen unter dem Motto „Zusammensetzen“ die nächsten Tage nutzen, um auf das Anliegen des Bündnisses und der geplanten Demonstration aufmerksam machen. Bislang sind die symbolischen Aktionen auch weniger Nadelstiche im Alltagsbetrieb der Stadt, eher aktionistische Merkzettel, wiederholte Erinnerung für die Bewohner*innen der Stadt, worum es den Aktivist*innen geht.

Die Aktionsformen variieren dabei durchaus. So lud die Linkspartei Alt-Treptow am Mittwoch Abend zu einer Filmvorführung mit anschließendem Gespräch in die Galerie Kungerkiez. Die Dokumentation „Das Gegenteil von Grau“ des Berliner Filmemachers Matthias Coers lenkt den Blick auf alternative Wohn- und Arbeitsformen im Ruhrgebiet. Von solidarischer Landwirtschaft über Raumsuche von Künstlerkollektiven bis zu Wagenplätzen sind die Erfahrungen mit Stadtumbau und Kommerzialisierung tief im Westen gar nicht so verschieden zu denen in Berlin, wenn die BesucherInnen auch in der anschließenden Diskussion mit Coers in Details und chronologischem Ablauf nuancierte Unterschiede entdeckten.

Blockade oder Räumung

Für die Mieter aus der Dubliner Straße 8 geht es derweil um eine existentielle Bedrohung, wie sie bei ihrer Aktion in Charlottenburg erzählen. Neben der kurzen, wiederum symbolischen Blockade der Hausverwaltung ist für den 10. April noch eine Soli-Telefonaktion geplant. Nach mehreren Versuchen der Verwaltung, die vier Bewohner wie schon andere Mieter des Hauses vor ihnen loszuwerden, sieht der aktuelle Räumungstitel recht final aus, da er bereits vor einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes über eine Beschwerde der WG zugestellt wurde. Ziel der WG ist es deshalb, gemeinsam mit dem Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“, das auch tragende Kraft der Aktionstage ist, und der Initiative „Hände weg vom Wedding“ die Räumung zu blockieren.

In der Vergangenheit haben die Aktivist*innen mit ähnlichen Interventionen bereits mehrere Erfolge verzeichnen können. Neben den globaleren Forderungen an die Landes-, vor allem aber die Bundespolitik wird die Mobilisierung zu konkreten Anlässen wie der Dubliner-Räumung wichtiger Bestandteil der Demonstration am 14. April sein.

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