: Versucht macht doch nicht klug
Bei den NSU-Ermittlungen ließ die Hamburger Polizei einen Geisterbeschwörer aus dem Iran einfliegen. Der half zwar nicht wirklich weiter, bestätigte aber die fatale Ermittlungshypothese
Von Gernot Knödler
Auch die Polizei bedient sich bisweilen der Dienste von Wahrsagern. Bei den Ermittlungen gegen die rechte Terrorzelle des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) ließt die Hamburger Sonderkommission eigens einen Geisterbeschwörer aus dem Iran einfliegen. Leider habe die Maßnahme „nichts gebracht“, zitiert Die Welt die Aussage des Soko-Leiters Felix Schwarz vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages.
Aus den Ermittlungsakten, die der Spiegel ausführlich zitierte, ergibt sich demnach, dass eine persische Unternehmensberaterin den Beamten von den Fähigkeiten des Mannes vorgeschwärmt habe. Sie bot an, diesen „Giganten unter den Metaphysikern“ auf eigene Kosten einfliegen zu lassen. Er benötige lediglich ein Visum. Im Erfolgsfall wolle sie an der ausgeschriebenen Belohnung beteiligt werden.
„Versucht macht klug, und verlieren können wir letztlich nichts“, zitierte der Spiegel die E-Mail eines Beamten an seine Kollegen. Der Geisterbeschwörer kam und nahm im April 2008 angeblich über ein Medium zehn bis 15 Minuten lang Kontakt zu dem sieben Jahre zuvor in Hamburg ermordeten Gemüsehändler Süleyman Tasköprü auf. Bei der Tat sollte demnach eine Bande eine Rolle gespielt haben. Der Täter sollte ein „Südländer“ gewesen sein.
Wie sich herausstellte, war das Kokolores und bestärkte die Ermittler in ihren Vorurteilen. „Für jeden noch so kleinen und merkwürdig erscheinenden Hinweis von ‚Wahrsagern‘ bis hin zu ‚Metaphysikern‘ wurde durch die Polizei eine ‚Spur‘ generiert und ‚abgearbeitet‘“, kritisieren die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses in ihrem Resümee. „Die Angaben der Opferangehörigen und Fragen des Innenministers hingegen wurden offensichtlich nicht ernst genommen.“
Ausgerechnet Bayerns damaliger Innenminister Günther Beckstein hatte unmittelbar nach dem ersten Mord der Serie wissen wollen, ob die Tat ausländerfeindlich motiviert gewesen sein könnte.
Die Hamburger Polizei labt sich mit Blick auf die Episode am sanften Glück des Vergessens. Die damalige Soko habe diverse Hinweise und Spuren verfolgt. „Dazu gehörte auch ein Hinweis eines Wahrsagers“, teilt die Pressestelle mit. Jedem Hinweis werde nachgegangen, das gelte insbesondere für Tötungsdelikte. Weitere Informationen seien aufgrund des zeitlichen Abstands nicht verfügbar. Vielleicht hätte ein Blick in die Glaskugel geholfen.
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