Wo bleibt der Aufstand?

Aktivisten kritisieren einen der neuen Umbenennungsvorschläge von Grünen und SPD für das Afrikanische Viertel, weil der tansanische Maji-Maji-Aufstand nicht mehr vorkommt

Der tansanische Aktivist Mnyaka Sururu Mboro vom Bündnis „Decolonize Berlin“ fordert seit Jahren eine erinnerungspolitische Wende bei den Straßennamen Foto: Tahir Della

Von Susanne Memarnia

Eigentlich schien in Sachen Straßenumbenennung im Afrikanischen Viertel endlich alles klar. Nach jahrelangen Diskussion haben die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte vor Kurzem je eigene Gutachten vorgestellt mit Empfehlungen – und auch die kritischen Aktivisten des NGO-Bündnis „Decolonize Berlin“ waren zufrieden. Die „erinnerungspolitische 180-Grad-Wende“ sei vollbracht, lobte das Bündnis: Denn künftig würden Petersallee, Nachtigalplatz und Lüderitzstraße nicht mehr nach den Begründern deutscher Kolonien benannt, sondern nach Namen, die den Widerstand dagegen verkörpern.

Nun gibt es kurz vor dem endgültigen Beschluss der BVV im April doch wieder Ärger, weil der Vorschlag „Maji-Maji-Allee“ wieder vom Tisch ist. Diesen Namen hatten die Gutachter von Linken und Grünen als Ersatz für die Petersallee vorgeschlagen, die bislang an den Gründer von „Deutsch-Ostafrika“ Carl Peters erinnert. Nun aber hat die rot-grüne Zählgemeinschaft in ihrem Antrag für die BVV, der am Donnerstag voraussichtlich in den Kulturausschuss überwiesen wird, stattdessen den Namen Anna Mungunda vorgeschlagen. Mungunda, 1959 vom südafrikanischen Kolonialregime erschossen, ist bis heute eine Ikone der Frauenbewegung Namibias.

Als weitere Namen schlägt Rot-Grün Cornelius Fredericks vor, einen Nama-Führer ebenfalls aus „Deutsch-Südwest“, sowie Bell, in Erinnerung an ein Widerstandspaar aus dem heutigen Kamerun. „Damit sollen nun zwei Personen aus Namibia mit Straßennamen geehrt werden, während die Erinnerung an die deutsch-tansanische Kolonialgeschichte komplett ausgelöscht werden würde“, kritisiert Bündnis-Sprecher Christian Kopp. Dabei sei es sehr nötig, an den von den Deutschen weitgehend verdrängten Maji-Maji-Krieg zu erinnern, bei dem mehr als 200.000 Menschen von den Deutschen ermordet wurden.

Von der Peters- zur Maji-Maji-Allee Anlässlich des heutigen Tages gegen Rassismus bietet das Bündnis „Decolonize Berlin“ um 17 Uhr eine kostenfreie Sonderführung durch das Afrikanische Viertel im Wedding (Treffpunkt U-Bahnhof Afrikanische Straße, Nordausgang). Um 19 Uhr beginnt dann ein Themenabend zur tansanisch-deutschen Geschichte bei EOTO e. V. (Togostraße 76) mit dem Dokumentarfilm „ReMIX. Afrika in Translation: Tansania“; anschließend gibt es eine Podiumsdiskussion mit der Filmemacherin Nadja Ofuatey-Alazard, Vitale Kazimoto sowie Mnyaka Sururu Mboro (Berlin Postkolonial).

Dagegen argumentiert Laura Neugebauer, Sprecherin der grünen BVV-Fraktion für Bildung und Kultur: Fredericks sei als Person mit seiner Biografie leichter greifbar als eine Bewegung wie Maji-Maji. „Sein Name steht auch für den makaberen und unmenschlichen Umgang der Kolonialherren mit den Menschen nach deren Tod“, sagte sie. Fredericks Schädel sei nach seinem Tod im Gefängnis der Kolonialmacht für Forschungszwecke nach Deutschland gebracht worden. „Es war uns wichtig, auch an diesen Aspekt der Kolonialgeschichte zu erinnern“, so Neugebauer.

„In Stein gemeißelt sind die Vorschläge ohnehin noch nicht“, beschwichtigt Grünen-Sprecher Bern Schepke. Er hoffe, dass man sich im Kulturausschuss auf einen gemeinsamen Antrag einigen werde – die Linken sind beim Vorschlag Maji-Maji-Allee geblieben. Wenn alles gut geht, kann die BVV am 19. April die Namen beschließen – und vielleicht könnte schon im Sommer Einweihung sein.