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Rache für Afrin?

Auf mehrere Moscheen und türkeinahe Vereine wurden vergangene Woche Anschläge verübt. Ist es Vergeltung für die Belagerung der kurdischen Stadt Afrin in Nordsyrien? Vieles deutet auf einen Zusammenhang hin – doch eine Spur führt auch in eine andere Richtung

Aus Berlin Ralf Pauli und Ali Çelikkan

Für das erste Freitaggebet nach dem Brandanschlag hat die Koca Sinan Moschee eine Sondergenehmigung der Stadt erhalten. Hunderte Gebetsteppiche liegen auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Das Gebet findet heute im Freien statt. Trotz der Kälte sind fast tausend Menschen da. Wer auf der Straße kein Plätzchen mehr findet, weicht auf das Basketballfeld nebenan aus.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag vergangener Woche ist der Gemeinderaum der Ditib-Moschee im Berliner Stadtteil Reinickendorf komplett ausgebrannt. AnwohnerInnen hatten drei Männer beobachtet, wie sie die Scheiben einschlugen. Kurz darauf schlugen Flammen aus dem Gebäude. Die Rußspuren sind eine knappe Woche nach dem Brand deutlich zu sehen.

Es war nicht der einzige Anschlag in der letzten Woche. Ahlen, Lauffen, Itzehoe, Meschede, Köln, Gütersloh: in acht Tagen gingen drei Moscheen, ein Kulturzentrum, ein Vereinsheim, vier Geschäfte und drei Pkws in Flammen auf. Eine weitere Moschee wurde beschmiert. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland schloss nach einer Morddrohung seine Geschäftsstelle. Mit einer Ausnahme haben alle Anschlagsziele einen Bezug zur Türkei. Wie bei den Moscheen des türkisch-islamischen Dachverbands Ditib, in denen von Ankara entsendete und bezahlte Imame predigen.

Doch führt diese Spur auch zu den Tätern? Die türkische Regierung macht die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK für die Anschläge verantwortlich. Auch die Gläubigen in Reinickendorf solidarisieren sich mit dem türkischen Staat. Viele haben türkische Fahnen dabei, ein Abgeordneter der türkischen Regierungspartei AKP sitzt beim Gebet in der ersten Reihe.

Polizei und Staatsschutz sind da zurückhaltender, wollen sich nicht vorschnell auf ein Täterprofil festlegen. Die Erinnerung an die NSU-Morde sitzt tief. Damals wurde der rechte Terror des Trios um Beate Zschäpe lange für quasi „interne Ausländerkriminalität“ gehalten. Diesen Fehler will niemand wiederholen. Zumal ein Großteil aller islamfeindlichen Delikte tatsächlich von Rechtsextremen begangen wird.

Dennoch, räumen Beamte ein, deute einiges darauf hin, dass die PKK oder deren Sympathisanten hinter den Anschlägen stecken könnten. Seitdem das türkische Militär in das autonome Kurdengebiet Rojava im Norden Syriens einmarschiert ist, kommt es auch in deutschen Städten wieder verstärkt zu Auseinandersetzungen zwischen kurdischen AktivistInnen und türkischen Na­tio­nalistInnen. Meistens bleiben die Proteste friedlich. Doch seit dieser Woche ist die kurdische Stadt ­Afrin fast vollkommen eingekesselt. Die Angst vor einem Massaker an der Zivilbevölkerung wächst. Und mit ihr das Ohnmachtsgefühl derer, die um das Leben ihrer Angehörigen oder Freunde fürchten.

Wie bei Nupel Munzur. Die Kurdin ist am Donnerstag nach dem Anschlag zum Deutschen Bundestag gekommen. Seit 55 Tagen versammeln sich kurdische BürgerInnen hier täglich, um auf Afrin aufmerksam zu machen, rund hundert sind es am Donnerstag. „Unsere Ak­tio­nen waren bisher demokratisch“, sagt Munzur. „Wir werden aber nicht tatenlos zusehen, dass es zum Genozid kommt.“

Andere gehen weiter. Den Brandanschlägen war ein Aufruf „an alle Jugendlichen“ vorausgegangen, Europa „in ein Krisen- und Aufstandsgebiet“ zu verwandeln. Zu dem Aufruf bekennt sich die europäische Jugenddachorganisation Ciwanên Azad, die der Verfassungsschutz der PKK zurechnet. In Deutschland haben kurdische Jugendgruppen den Aufruf ins Netz gestellt. Sie dokumentieren auch die „Aktionen“ gegen „faschistische“ türkische Einrichtungen, darunter den Anschlag auf die Moschee in Lauffen sowie den Anschlag auf das deutsch-türkische Freundschaftsheim in Meschede. In den kurzen Videos ist zu sehen, wie vermummte Männer Molotowcocktails auf Gebäude werfen, die sofort Feuer fangen.

Die Videos wurden von den Ermittlungsbehörden als authentische Bekennervideos eingestuft. Die Polizei verdächtigt nun „Angehörige extremistischer kurdischer Jugendorganisationen“ der Angriffe.

Mehtap Erol bereitet das Sorgen. „Ja, das sind unsere Jugendlichen“, gibt die 46-Jährige unumwunden zu. Erol ist Mitglied der PKK-nahen Organisation Nav-Dem sowie im Vorstand der prokurdischen Bewegung HDK. Gerade kommt sie von der Demo vor dem Bundestag. Nun sitzt sie in einer schummrigen Kneipe in Kreuzberg.

„Die Nerven liegen blank“, sagt Mehtap Erol. „Heute sind wieder drei Frauen und zwei Kinder in Afrin durch türkische Bomben gestorben.“ Gerade für Jugendliche, die aus dem Gebiet stammten, sei das „unerträglich“. So erklärt Erol die Gewaltaufrufe im Netz, weiß aber: Gewalt kann dem kurdischen Anliegen nur schaden. „Wir versuchen, den Jugendlichen das zu erklären.“ Den Bekennervideos zum Trotz ist Erol überzeugt, dass kurdische Jugendliche keinen der Anschläge begangen haben: „Die würden vor allem nie eine Moschee angreifen.“

Aber wer sonst sollte es tun? Rechte Gruppierungen, wie sonst so oft? Oder vielleicht sogar Linke, die sich mit den Kurden solidarisieren?

Dafür findet sich immerhin ein Anhaltspunkt in einem weiteren Gewaltaufruf – dieses Mal von der Gruppe „fight4afrin“. Am Mittwochabend versandte sie per E-Mail ihr erstes „Kommuniqué“. Adressiert ist es an all jene, die „Kriegstreiber, intellektuelle Brandstifter sowie die Profiteure des Krieges“ zur Verantwortung ziehen wollen. In mehr als 70 Aktionen in neun Ländern sei genau das geschehen. Wer hinter der Gruppe steckt, ist unklar. Eine taz-Anfrage bleibt unbeantwortet. Die Gruppe schreibt in dem Aufruf aber: Wer glaube, dass „unsere Aktionen allein von Kurd*innen gemacht wurden“, liege „falsch“.

Auch bei Ditib hält man sich bedeckt. Kein Moscheeverband spricht gern über die Auseinandersetzungen zwischen KurdInnen und TürkInnen im Land. Am Donnerstag sagte Ditib-Vorstand Zekeriya Altuğ, die jüngsten Attacken auf Moscheen hätten „nichts“ mit dem türkisch-kurdischen Konflikt zu tun.

Diese Sicht der Dinge erscheint doch etwas naiv. Was jedoch auch wahr ist: Bei Anschlägen auf Moscheen waren bislang nicht die kurdischen ExtermistInnen das Problem. Sondern die deutschen.

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