Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die FDP verhält sich amateurhaft, die Groko liebt die Industrie, die CSU veranstaltet eine Kirmeskeilerei und Höcke bekommt ein Mahmmal.

Martin Schulz verlässt das Podium im Willy-Brandt-Haus

Schulz verlässt das Podium nach einem Statement zu den gescheiterten Jamaika-Gesprächen Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Merkel staunt, dass die SPD die abgelaufene Groko so wenig lobt.

Und was wird besser in dieser?

Vorurteil „Frauen können keine zynische Comedy“ erlegt.

Die FDP hat die Jamaika-Sondierungen abgebrochen. Wie geht es jetzt weiter?

Spannend! Lindner und Kubicki haben zusammen null Sekunde Regierungserfahrung, Beer war mal Europaministerin in Hessen und Strack-Zimmermann stellvertretende Bürgermeisterin von Düsseldorf. Dass diese gehobene Amateurtruppe erschrickt, wie Merkel, Altmaier, Trittin, Künast das Handwerk einer Sondierung durchziehen, kann man durchaus glauben. Wer vor schwierigen Verhandlungen wegläuft, sollte das Land nicht nach außen vertreten. Alles gut also. Die FDP positioniert sich als AfD mit goldenen Manschettenknöpfen. Die Grünen spinksen ehrenvoll und aussichtslos auf schwarzgrüne Minderheitsregierung. Merkel hatte sich vorher auf ein klares „Ich will das“ festgelegt, und somit bewiesen, wie klug sie sonst oft war, sich vorher auf gar nichts festzulegen.

Ist das jetzt gut oder schlecht für die SPD?

Für welche SPD? Eine SchulzPD, die bei ihrer Haltung bliebe, könnte schlicht: Merkel stürzen. Das klingt jäh, doch Ehrenrunden wie die letzten Amtszeiten Kohls oder Adenauers sind vertane Zeit. Eine Position „Groko ja – ohne Merkel“ entflammte lodernd das morsch knisternde Gebälk der Union. Umgekehrt sollte eine ScholzPD wissen: Was immer die Sozis in einer Groko durchbringen – entweder taugt es nichts oder hinterher schmückt es Merkel. Drängende Aufgaben wie Diesel- oder Kohleausstieg sind bei einer Industriekoalition aus Union und SPD in schlechten Händen. Ohne Merkel bekommt die SPD eine Groko mit einem konfus schwachen Partner. Oder Neuwahlen zu klaren Bedingungen, als Oppositionspartei. Mit Merkel hat sie sich von 34,2 % in 2005 herunterregiert auf 20,5 % in 2017. Im Lichte dieser Zahlen ist das einzig Erstaunliche an der Debatte – dass sie stattfindet.

Damit schlägt jetzt Steinmeiers große Stunde als Bundespräsident. Wie macht er sich?

Eben noch höhnte es, Frank- in Sach-Walter Steinmeier umzubenennen. Da kam ja garnichts an Ruck durch Deutschland, selbst sein schöner Satz „Heimat liegt in der Zukunft“ blieb unerhört. Nun jedoch wünschte man sich einen Staatsnotar, der ein bisschen langweilig, detailversessen, vernunftdurchströmt und pflichtbewusst ist: Da haben wir eh schon Steinmeier, und prompt kommt seine Designerkrise. Ein Glücksfall. Eine Diva wie Köhler, ein Stattfinderich wie Gauck wären da riskanter. Steinmeier hatte schon vor dem Jamaixit gewarnt, man dürfe „den Auftrag nicht an die Wähler zurückgeben“. Der Mann ist das Grundgesetz als Hörbuch.

Das Zentrum für politische Schönheit hat AfDler Björn Höcke mit 24 Stelen sein eigenes Holocaust-Mahnmal vor die Haustür gestellt und ihn zehn Monate lang überwacht. Genial oder unangebracht?

Genial unangebracht. Ein Land, dass in Verliebtheit auf die Knie geht, wenn Millionen türkischstämmige Deutsche als „Ziegenficker“ mitverhöhnt werden, sollte mit der Rücksichtnahme der Kunst nicht bei seinen Top-Nazis anfangen.

Markus Söder sagt in den Fernsehnachrichten, in der CSU gäbe es keine Flügelkämpfe. Wir sind verwirrt: Wenn das in den vergangenen Wochen keine Flügelkämpfe waren, was denn dann?

Flegelkämpfe. Seehofer und Söder beschreiben keine Flügel der CSU, inhaltlich trennt sie nichts, und selbst in Gesäßkompetenz ist der jüngere Abbild des Älteren: 20 Jahre Vorsitzender der Jungen Union Bayern attestieren Söder nachgerade seehoferoide Amtsklebe. Da es inhaltlich um nichts geht, kann man es wegatmen wie eine Kirmeskeilerei.

In Gießen ist die Frauenärztin Kristina Hänel zu 40 Tagessätzen à 150 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite angibt, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Das gilt laut Paragraf 219a des Strafgesetzbuches als Werbung für Schwangerschaftsabbrüche und ist verboten. Im Jahr 2017. Sind Sie genauso sprachlos wie wir?

Einerseits erlaubt § 218 Schwangerschaftsabbruch nur nach eingehender Beratung. Andererseits bedroht § 219 ÄrztInnen mit Strafe, wenn sie beraten und in dem Kontext auch das fällige Honorar erwähnen. Die Ärztin wurde verurteilt, weil der Gesetzgeber seine Hausaufgabe nicht erledigt hat – dies Recht zu entrümpeln.

Und was machen die Borussen?

Sie hatten die Wahl: Heimsieg im Derby oder Niederlage und hilfloser Trainer raus. Da ist 4:4 natürlich auch ’ne Antwort.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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