: Die Armeleutekrankheit
Diabetes Typ 2 kommt in Deutschland immer häufiger vor, besonders bei ärmeren Menschen. Experten fordern mehr Verantwortung von Herstellern
Von Lukas Dörrie
Pünktlich zum Weltdiabetestag am 14. November fordern Ernährungsexperten eine deutliche Mehrwertsteuererhöhung für besonders zuckrige Lebensmittel und Softdrinks. In der medizinischen Forschung gilt Übergewicht als wichtiger Faktor für ein erhöhtes Diabetesrisiko.
Bei der chronischen Blutzuckerkrankheit wird zwischen verschiedenen Typen unterschieden. Mit etwa 90 Prozent aller Erkrankungen kommt der Diabetes Typ 2 allerdings am häufigsten vor. „Immer mehr Menschen erkranken an Diabetes Typ 2“, erklärt Jens Kröger, Diabetologe und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes-Hilfe. Momentan gebe es hierzulande etwa 6,7 Millionen Betroffene. Gründe seien vor allem falsche Ernährung und Mangel an Bewegung. Schon 15 Prozent aller Kinder in Deutschland seien übergewichtig.
Aber nicht nur die Veränderung des Verhaltens, sondern auch der Verhältnisse sei ein wichtiger Schritt zur Prävention. „Das Vorurteil, Typ 2 sei eine Armeleutekrankheit, ist leider gar nicht so falsch“, sagt Kröger. „In Familien mit geringem Einkommen kommt es häufiger zur Erkrankung“, erklärt er. Das liege vor allem daran, dass die finanzielle Lage den Menschen wenig Auswahlmöglichkeiten bei der Produktwahl lasse. „Preiswerte Nahrungsmittel haben in der Regel einen höheren Zuckeranteil. Und auch ein kostspieliges Sportangebot können sich viele Menschen nicht leisten“, beklagt der Mediziner.
Der Trend bei der Lebensmittelproduktion gehe in eine falsche Richtung. „Nutella hat kürzlich den Kakaoanteil reduziert, um mit Milchzucker eine hellere Farbe zu erreichen“ sagt Kröger. Das sei preiswerter. Das gleiche Argument gelte auch für Isoglukose, einen Sirup aus Mais, der seit 1. Oktober von der EU zugelassen ist. „Mit mindestens 55 Prozent Fruktoseanteil, enthält dieser billig herstellbare Maissirup mehr als die gewöhnlichen 50 Prozent Haushaltszucker und wird damit Übergewicht weiter fördern“, befürchtet der Diabetologe.
„Die Politik muss etwas tun“, fordert Kröger. Auf den Zuckergehalt von Lebensmittel müsse eindeutiger hingewiesen werden. Außerdem müssten Städte auch Lärmreduzierung und eine Verringerung von Luftschadstoffen anpeilen.
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