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Anschlag in Kabul

Die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ bekennen sich zu der Tat, die mehrere Tote und Verletzte fordert. Doch war es wirklich der IS?

Von Thomas Ruttig

Ein Selbstmordattentäter hat am Nachmittag (Ortszeit) in der afghanischen Hauptstadt Kabul den fünfzehnten größeren Anschlag in diesem Jahr verübt. Dabei starben nach vorläufigen offiziellen Angaben mindestens sieben Menschen, einundzwanzig Menschen wurden verletzt – alle Zivilisten. Der „Islamische Staat“ (IS) übernahm binnen einer Stunde über den ihm nahestehenden Nachrichtenkanal Amaq die Verantwortung für den Anschlag.

Der Attentäter war zu Fuß in den Kabuler Stadtteil Wasir Akbar Khan – kurz WAK genannt – gelangt, der Teil der schwer gesicherten sogenannten Grünen Zone ist. Dort befinden sich viele diplomatische Vertretungen und Büros, auch von afghanischen Institutionen; zudem wohnen dort führende Politiker. Aus Sicherheitskreisen in Kabul hieß es, Ziel sei ein Büro des staatlichen Rundfunks RTA gewesen. Der Attentäter habe sich in die Luft gesprengt, als die Angestellten zum Feierabend ihr Büro verließen.

Der Anschlag ereignete sich zwei Monate, nachdem die afghanische Regierung beschlossen hat, die Grüne Zone auszuweiten und die Sicherheit zu erhöhen. Danach waren in WAK 26 neue Polizeikontrollposten eingerichtet und das Personal der bereit vorhandenen deutlich erhöht worden. Aus anderen Teilen Kabuls, in denen vor allem die Zivilbevölkerung lebt, waren dafür Polizeiposten abgezogen worden. Das sorgte für Unmut – und hat den Anschlag gestern auch nicht verhindern können, der zudem in der alten Grünen Zone stattfand.

Fragezeichen müssen auch hinter das IS-Bekenntnis zu diesem Anschlag gesetzt werden. Vor zwei Jahren, am 31. Oktober 2015, hatten die Taliban zwei private TV-Sender und deren Angestellte wegen Falschberichterstattung – sie sprachen von Propaganda zugunsten der Regierung – über angebliche Massenvergewaltigungen während ihrer Besetzung der Stadt Kundus zu legitimen Zielen erklärt. Das Gleiche triff auf alle Regierungsangestellten zu. Insofern ist nicht auszuschließen, dass sich die Taliban hinter IS-Bekenntnissen verstecken.

Die Taliban sind im Vergleich zum afghanischen IS-Ableger die weitaus stärkere Aufstandsbewegung. Laut dem am Montag veröffentlichten jüngsten Bericht des US-Sonderinspekteurs für Afghanistan verlor die afghanische Regierung seit Ende 2015 15 Prozent des von ihr kontrollierten Territoriums. 11,8 Millionen Afghanen leben inzwischen in Taliban-dominierten Gebieten, ein gutes Drittel der Bevölkerung.

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