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die dritte meinungAuf der Buchmesse zeigte sich, dass die Linke das Streiten verlernt hat, sagt Maximilian Steinbeis

Maximilian Steinbeis ist Autor, Jurist und Betreiber des Verfassungsblogs. Sein mit Per Leo und Daniel P. Zorn verfasstes Buch „Mit Rechten reden“ ist soeben bei Klett Cotta erschienen.

Das ist nicht so toll gelaufen mit der Frankfurter Buchmesse. Ein linker Verleger mit blutiger Lippe, ein Buchmessenchef mit kaputtem Megafon und triumphales Hohngeschrei in allen rechten Netzwerken. Sie sollten keine Bühne bekommen, die Rechten, und was haben sie bekommen? Ein ganzes Stadion.

Zumindest am letzten Messetag, als rechte und linke Aktivisten einander ihre Hassgesänge und Sprechchöre wechselseitig ins Gesicht brüllten, war das so. Sie konnten ihr Glück kaum fassen, die Rechten. Götz Kubitschek etwa, ein rechter Verleger, der eine Bühne gebucht hatte, um dort Bücher aus seinem Programm ins Gespräch zu bringen mitsamt den dazugehörigen Autoren. Und Björn Höcke. Öffentlicher Raum also für rechte Thesen.

Dagegen formierte sich ein Häuflein linker Aufrechter – dem ein Häuflein rechter Aufrechter entgegenstand. Tumult, Polizei, Abbruch der Veranstaltung. Wie der König der Buchmesse durfte sich Kubitschek fühlen. Ohne rechtfertigen zu müssen, was seine Bücher überhaupt taugen.

Natürlich wäre es besser, über „Schuldkult“ und völkische „Ethno­pluralismus“-Thesen nicht reden zu müssen, als seien das bedenkenswerte Positionen. Das Dumme ist nur: Den Widerstand der Linken dagegen, dass das Unsagbare gesagt wird, hat die Rechte längst strategisch eingepreist. Sie spielt mit ihm und weiß ihn zu ihrem Vorteil zu nutzen. Und sie gewinnt an Stärke und Zulauf.

Bitter dabei ist: So furchtbar stark sind die rechten Positionen nicht. Im Streit über sie die Oberhand zu behalten, wäre zu schaffen. Dazu müsste man aber: streiten können. Das konnte die Linke mal gut. Warum sollte sie es nicht wieder lernen?

Mit Rechten reden heißt nicht mit Rechten kuscheln. Es geht um Streit, nicht um Konsens. Die Neue Rechte will nicht mit Rassisten und Nazis verwechselt werden? Gut, das kann man ja mal ernst nehmen. Als Behauptung, an der man sie festhalten und messen kann. Und dann wollen wir doch mal sehen.

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