Zu blöd zum Spionieren

Erdoğans Agent bekommt Bewährung

Von Marthe Ruddat

Die Geschichte hat etwas von einem echten Agententhriller: Der türkische Geheimdienst MIT wirbt einen Journalisten an. Er soll, unter dem Vorwand, Fernsehreportagen zu drehen, kurdische Funktionäre und ihre Einrichtungen in Deutschland ausspionieren. Pläne für einen Mordanschlag gibt es auch. Doch der Spion wird von seiner Freundin verraten, sein Hauptziel gewarnt.

Hier beginnt die Realität: Der ausspionierte Bremer Kurdenpolitiker Yüksel Koç informiert die Polizei über die Agententätigkeit von Mehmet S. und das geplante Attentat. Die Behörden brauchen sieben Monate, um Mehmet S. festzunehmen. Für das Mordkomplott gibt es aber zu wenige Beweise, angeklagt wird er deshalb nur wegen „geheimdienstlicher Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland“. Und am Ende bekommt Erdoğans Helferlein eine Bewährungsstrafe und ist auf freiem Fuß. Er muss knapp 20.900 Euro Strafe zahlen. So viel hatte er vom türkischen Geheimdienst MIT für seine Arbeit erhalten – mindestens, mehr ist nicht nachzuweisen.

Die Verteidigung nannte S.s Arbeitsweise „dilettantisch“. Die Richterin sprach in ihrem Urteil etwas diplomatischer von einem „nicht sehr professionellen Vorgehen“. Die Informationen, die S. sammelte, waren tatsächlich wenig hilfreich, das meiste davon mit einer einfachen Internetsuche herauszufinden. Manches hatte er sich auch einfach ausgedacht. Ein Beispiel: S. berichtete in Ankara auch über den angeblichen Bremer Polizeichef. Der Name, den er dabei nannte, ist in Wahrheit der eines normalen Polizeibeamten.

Für Yüksel Koç ist das Urteil vermutlich folgenlos. Er ist einer der führenden Kurdenfunktionäre Europas. Dass er als Ziel plötzlich irrelevant ist, ist unwahrscheinlich. Immerhin sollen allein in Deutschland 6.000 Spione für die türkische Regierung arbeiten. Aber: Die Belange der Bundesrepublik Deutschland wurden durch die Spionage von Mehmet S. nur „im unteren Bereich tangiert“, sagte die Richterin in ihrem Urteil über Mehmet S. Es handele sich um einen innertürkischen Konflikt, der in Deutschland ausgetragen wurde.

Mit anderen Worten: So lange nicht deutsche Interessen bedroht werden und keiner stirbt, geht uns das kaum was an. Also doch eher eine tragische Komödie mit Beigeschmack.