Nach der Bundestagswahl: Auf der Suche nach der neuen SPD
Nach der historischen Wahlniederlage will Martin Schulz Parteichef bleiben. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles soll Fraktionsvorsitzende werden.
Doch was bedeutet das? Die Neuausrichtung der Partei werde „das Projekt der nächsten Wochen“ sein, kündigt Schulz an. Wie die konkret aussehen soll, bleibt derzeit allerdings noch nebulös. Fest steht nur, dass die SPD eine Fortsetzung der Großen Koalition ausschließt. Das hatte Schulz bereits am Wahlabend verkündet.
Am Montag legt er nach: „Ich bin der Vorsitzende einer Partei, die in Opposition zu Angela Merkel steht.“ Daran werde sich auch nichts ändern, sollte es wider Erwarten doch nicht mit der Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen klappen. Für die Kanzlerin hat er nur noch abschätzige Worte parat. Wenn Schulz über Merkel spricht, klingt er wie ein tief enttäuschter Liebhaber – oder ein schlechter Verlierer.
Schulz wirkt äußerst angespannt. Kein Wunder, geht es doch für ihn um sein politisches Überleben. Noch im Frühjahr von seiner Partei als neuer Messias gefeiert, hat er ihr nun das mit Abstand schlechteste Ergebnis in der bundesdeutschen Geschichte beschert. Nur knapp hat es die SPD noch über die Zwanzigprozentmarke geschafft. Da wäre ein Rücktritt des Parteichefs noch am Wahlabend eigentlich naheliegend gewesen.
„Das ist auch meine Niederlage, für die ich geradezustehen habe“, räumt Schulz zwar ein. Persönliche Konsequenzen will er jedoch keine ziehen. Vielmehr zeigt sich der 61-jährige Würselener fest entschlossen, auf dem Parteitag im Dezember erneut als Vorsitzender anzutreten – selbst wenn zuvor auch noch die Landtagswahl Mitte Oktober in Niedersachsen schiefgehen sollte.
Empfohlener externer Inhalt
Andrea Nahles als Fraktionsvorsitzende
Immerhin eine personelle Veränderung soll es geben: Am Mittwoch will Schulz der SPD-Bundestagsfraktion die bisherige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles als Nachfolgerin von Thomas Oppermann vorschlagen. Als „Frau der mittleren Generation“ sei die 47-Jährige „sehr gut geeignet, die Fraktion zu führen“.
Ob seine Entscheidung für Andrea Nahles aus der Not geboren oder ein kluger Schachzug ist, lässt sich schwer entscheiden. Wahrscheinlich ist es beides. Denn die frühere SPD-Generalsekretärin ist in der Partei bestens vernetzt. Einst auf dem linken Flügel gestartet, ist Nahles längst im Zentrum der Partei angekommen und verfügt über die Machtbasis, die Schulz nicht besitzt. Sie als Verbündete zu haben, könnte seine Lebensversicherung sein.
Doch nicht alle sind angetan, dass Schulz gleich sagt, wer Fraktionschefin wird. Dass Johannes Kahrs, Chef der rechten Seeheimer, „die vorschnelle Festlegung“ kritisiert, war zu erwarten. Immerhin wäre mit Nahles mal wieder eine Spitzenposition nicht mit einem SPD-Rechten besetzt.
Interessant ist jedoch, dass auch Achim Post, Chef der einflussreichen NRW-Abgeordneten, nicht angetan ist und kritisiert, dass die Führung entschieden ist, bevor die neue von 193 auf 153 Mandate verkleinerte Fraktion zum ersten Mal zusammengetreten ist. Pikant ist, dass Post seit mehr als 20 Jahren ein enger Vertrauter von Schulz ist.
Auch Marco Bülow, der in Dortmund souverän ein Direktmandat gewann, warnt vor Entscheidungen im Hinterzimmer. „Es darf nicht sein, dass Fraktions- und Parteispitze wieder vorgegeben werden“, forderte er. „Die SPD muss wieder demokratischer, lebendiger und moderner werden.“
Empfohlener externer Inhalt
Lesen Sie mehr zur Bundestagswahl 2017 in unserem Schwerpunkt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!