Juventus-Chef Agnelli vor Gericht: Tickets für die Mafia

Harte Strafen werden für den Juventus-Präsidenten und den Klub selbst gefordert. Die kalabresische Mafia soll an Ticketverkäufen verdient haben.

Ein Mann mit Bart und buschigen Augenbrauen

Lächelt noch: Andrea Agnelli, Vorsitzender der ECA Foto: ap

Zwei Jahre und sechs Monate Verbannung von allen öffentlichen Ämtern im Sport für Juventus-Präsident Andrea Agnel­li, dazu eine Geldstrafe von 50.000 Euro; zwei Pflichtspiele ohne Publikum für Juventus, ein weiteres mit geschlossener Curva Sud plus eine Geldstrafe von 300.000 Euro für den Klub – das sind die Strafen, die die Ankläger im Prozess der Sportjustiz gegen Juventus Turin am Freitag forderten. Das Urteil soll im Laufe der nächsten zehn Tage verkündet werden.

Agnellis Verteidiger plädierten auf Freispruch. Weil der Prozess bis in die dritte Instanz gehen kann, könnte noch viel Zeit bis zur endgültigen Straffestsetzung vergehen. Dann aber will die italienische Sportjustiz auch Uefa und Fifa bitten, Agnelli von allen Funktionen zu entheben. Als Nachfolger von Karl-Heinz Rummenigge an der Spitze der Klubvereinigung ECA sitzt Agnel­li derzeit im höchsten Uefa-Gremium, dem Exekutivkomitee. Ob ein Delinquent mehr in der Verwaltungsspitze des Fußballs die anderen Bosse stört, wird sich zeigen.

Das hohe Strafmaß ließ Fußball-Italien aber aufhorchen. Hintergrund sind Geschäfte mit Eintrittskarten für Juventus-Spiele, an denen seit Jahren in Turin ansässige Clans der kalabresischen Mafiaorganisation ’Ndrangheta verdienten. Der Klub erkaufte sich mit der Ticketvergabe an die Clans den Frieden der zerstrittenen Fanszene zumindest im schmucken Juventus-Stadion, lautet die These der Sportjustiz.

Die Bombe platzte bereits 2016 im Rahmen von Ermittlungen der Antimafia-Staatsanwaltschaft in Turin. Ein Mafia-Aussteiger erzählte, dass seit 2003 die „großen Familien der ’Ndrangheta das Geschäft mit dem Weiterverkauf der Tickets der Juventus unter sich aufgeteilt“ hätten. Der Pentito taxierte den Gewinn auf 15.000 Euro pro Spieltag. Das spricht für Hunderte, bei den geringen Margen für manche Serie A-Tickets gar für Tausende Eintrittskarten pro Spieltag, die der organisierten Kriminalität zur Verfügung standen.

Nichts davon gewusst

Die Praxis setzte sich bis mindestens Juli 2016 fort. Damals fiel Raffaello Bucci, ein Fanorganisator, der von Juventus ausgerechnet für die Ticketverteilung unter den Ultras bezahlt wurde, von einer Autobahnbrücke – angeblich Selbstmord. Ein Fami­lien­mitglied des Opfers sagte aber aus, Mafiosi davon sprechen gehört zu haben, dass die angeblichen Zeugen des Selbstmords, Bauarbeiter an der besagten Autobahnbrücke, für ihre Angaben bezahlt worden seien. Aus Angst zog die Person diese Aussage zurück.

Bucci, einst Kassenwart der einflussreichsten Ultra-Gruppierung bei Juventus, den „Drughi“, soll über die Mafia-Verbindungen beim Ticketverkauf nicht nur Bescheid gewusst haben. Er habe, so kam am Rande des Prozesses heraus, ab 2010 sogar als Informant der Geheimdienste gearbeitet und seinen Führungsoffizieren diese Geschichte erzählt.

Gesichert ist, dass der im aktuellen ’Ndrangheta-Prozess zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilte Rocco Dominiello bereits in den Jahren 2009/10 eine Fehde unter Fanclubs der Juventus schlichtete. Nach Interpretation der Staatsanwaltschaft gelang ihm das auch dank des kriminellen Gewichts seines Vaters, der selbst eine Mitgliedschaft in der ’Ndrangheta zugegeben hatte und im Sommer 2017 zu 12 Jahren Haft verurteilt wurde. Fanstreit-Schlichter Dominiello junior gründete 2013 gar einen eigenen Fanklub, der kurze Zeit später in den „Drughi“ aufging.

Dominiello wie auch Agnelli gaben persönliche Treffen zu. Der Juve-Präsident behauptet aber, nichts von der Mafiazugehörigkeit Dominiellos gewusst zu haben.

Die Sportjustiz in Rom scheint ihm nicht abnehmen zu wollen, schlechter informiert gewesen zu sein als sein eigener Angestellter Bucci. Daher die harten Strafforderungen.

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