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Wie ein Moment verpasst wird

Politische Kultur Die Ereignisse von Charlottesville hätten dazu führen können, das Land aufzurütteln und umzusteuern. Doch was geschieht?

Charlottesville: Rassistische Insignien im Emancipation Park erinnern am Tag danach an die „Vereinigt-die-Rechte“-Kundgebung vom Samstag Foto: Chip Somodevilla/afp

Von Bernd Pickert

BERLIN taz | Die Ereignisse von Charlottesville am vergangenen Wochenende hätten durchaus die Brisanz, um einen Wendepunkt in der politischen Debatte der USA zu provozieren. Und dies vielleicht gar in dem Stil, wie der Tsunami vor Japan und der GAU von Fukushima die Stimmung in Deutschland deutlich gegen die Atomkraft hat kippen lassen. Womöglich könnte nach diesem Auftritt der Donald Trump unterstützenden Nazis und Rassisten in den USA nun eine Mehrheit – oder zumindest die veröffentlichte Meinung – von ihrem Präsidenten doch einmal die Nase voll haben.

Aber das ist wohl Wunschdenken: Wie sich jetzt zeigt, verläuft die Debatte exakt in bekannten Bahnen. Jene Meinungsführer oder Politiker, auch auf konservativer Seite, die schon im Wahlkampf davor warnten, dass Trump sich von der extremen Rechten feiern ließ, sind auch jetzt entsetzt.

David French etwa, ein konservativer Autor der National Review, schreibt: „Amerika ist an einem gefährlichen Scheideweg. […] Wir sehen einer düsteren politischen Zukunft entgegen, möglicherweise wird es weitere Tote geben, und einen Grad an Polarisierung, der 2016 wie das Jahr der nationalen Einheit erscheinen lassen wird. Präsidenten sind nicht allmächtig, aber sie können entweder helfen oder Schaden anrichten. Trumps heutige Worte haben der Nation geschadet, die er führt.“

French bezieht sich dabei auf jene allgemeine Verurteilung der Gewalt „auf vielen Seiten“, zu der Trump sich am Samstag hatte durchringen können. Dabei hatte der Präsident aber die Rechtsextremen und Rassisten, die in Charlottesville aufmarschiert waren, nicht beim Namen genannt. Das kritisiert auch der konservative republikanische Senator Lindsay Graham. Er sagte am Sonntag auf Fox News: „Diese Gruppen scheinen zu glauben, sie hätten in Trump und dem Weißen Haus einen Freund. Ich weiß nicht, warum sie das denken, aber […] ich würde den Präsidenten drängen, diesen Gruppen klarzumachen, dass er nicht ihr Freund ist.“

Das Weiße Haus versuchte am Sonntag, Trumps Ambivalenz wegzudefinieren: Seine Aussage schließe ganz klar die Gewalt von Rassisten und Nazis ein, erklärten seine Sprecher.

Die Nazis selbst hatten das allerdings anders verstanden: Die Nazi-Website The Daily Stormer schrieb triumphierend: „Trumps Anmerkungen waren gut. Er hat uns nicht angegriffen. Er hat nur gesagt, die Nation solle zusammenkommen. Nichts Spezielles gegen uns, überhaupt keine Verurteilung.“

Immer näher an den Wendepunkt?

So sollte das wohl auch ankommen – darin sind sich die liberalen Kommentatoren vollkommen einig. „Heute kommt Amerika immer näher an einen Wendepunkt, und das ist genau das Amerika, das Donald Trump versprochen hat“, schreibt Jay Willis im GQ Magazine. „Den Hass hat es in Amerika immer gegeben. Donald Trump hat ihn nur wieder modern werden lassen.“ Kein Wunder bei alldem, dass sich nicht einmal die Teilnehmer und Organisatoren des rechten Aufmarschs von Charlottesville ernsthaft unter Druck sehen. Der Anmelder der Kundgebung, Jason Kessler, bedauerte in einer Stellungnahme kurz den Tod der Bürgerrechtsdemonstrantin Heather Heyer – den Namen erwähnte er nicht, – nur um dann auszuführen, die eigentlich Verantwortlichen für die Gewalt an dem Tag sei die Polizei von Charlottesville. Begründung: Sie habe die friedlichen Rechtsextremen nicht vor den Kriminellen der Antifa und der Black-Lives-Matter-Bewegung geschützt.

Ins gleiche Horn stieß auch die rechte Website Breitbart News, einst geführt von Trumps Chefstrategen Steven Bannon. Zwar verurteilten die Autoren kurz die mörderische Autofahrt des James Alex Fields (siehe unten). Dann aber beklagten sie wortreich, wie sehr die rechtsextremen Freunde der Meinungsfreiheit durch Polizei und Antifa eben dieser Freiheit beraubt worden seien.

Wer geglaubt hat, Charlottesville könne jenes Ereignis sein, das in den Vereinigten Staaten ein Umdenken erzwingt, sieht sich getäuscht. Trump kann weitermachen.

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