piwik no script img

Berlin legt sich mit dem Bund an

Flüchtlinge Berliner Senatoren appellieren an den Bund: Er solle sich bei Asylverfahren stärker engagieren. Beim Bundesamt wundert man sich über den Vorwurf

von Jutta Schütz, dpa

Justizsenator Dirk Behrendt hat dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mangelnde Unterstützung bei Asylverfahren vorgeworfen. Das Verwaltungsgericht in der Hauptstadt könnte effektiver und schneller arbeiten, wenn das Bundesamt seiner gesetzlichen Pflicht nachkäme, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch.

Bei der gerichtlichen Überprüfung von Bescheiden des Bundesamtes seien oft keine Vertreter zu Prozessterminen anwesend, Mitarbeiter oft nicht telefonisch erreichbar. „Diese Nichtmitwirkung verzögert die Verfahren erheblich.“ Die Kritik richte sich ausdrücklich nicht an die Berliner Außenstelle des Amtes.

Beim deutschlandweit größten Verwaltungsgericht in Berlin stapeln sich die Asylklagen. Derzeit sind laut Gericht etwa 13.500 Klagen von Asylsuchenden anhängig, das sind etwa 65 Prozent aller Verfahren des Gerichts. Nach der Flüchtlingswelle 2015 sei die Zahl der Klagen gegen Bescheide des Bundesamtes bundesweit gestiegen. Allein in diesem Jahr wurden bis Ende Juni mehr als 4.300 Verfahren erledigt.

Noch Ende 2015 gab es demnach nur 750 Asylverfahren an dem Berliner Gericht. Es könne nicht so viel erledigt werden, wie neu eingeht, hieß es. Die Zahl der Richter wurde auf 113 aufgestockt, fünf neue Asylkammern wurden gebildet.

Kritik zurückgewiesen

Zahl der Asylfälle

Laut Bundesamt wurden seit 2015 bis Ende 2016 fast 700.000 Asylentscheidungen getroffen, bis Ende Juni dieses Jahres waren es mehr als 400.000. Es gebe noch rund 80.000 Altfälle. Gegen ablehnende Entscheidungen zogen im Vorjahr bundesweit etwa 43 Prozent der Betroffenen vor Gericht. (dpa)

Das Bundesamt wies die Kritik in einer Stellungnahme umgehend zurück. Für Anfragen der Gerichte sei eine Hotline eingerichtet worden, der Transfer von Akten könne elektronisch abgewickelt werden. Beschlüsse könne das Gericht auch ohne anwesende Vertreter fassen. Das Amt habe die Zahl der Entscheider aufgestockt. Abteilungsleiter Andreas Jödecke meinte am Rande: „Wir hätten uns doch vorher zusammensetzen können.“

Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) monierte schlechtere Chancen für Geflüchtete, wenn sie lange auf eine Entscheidung des Gerichts warten müssten. Das Bundesamt habe viele Fälle zu schnell entschieden, Flüchtlinge seien auf eine Anhörung nicht vorbereitet gewesen. Die Beratung Asylsuchender in Berlin solle verstärkt werden – die Zahl der Klagen könne so zurückgehen.

Auch Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) beklagte Versäumnisse. Durch die längeren Verfahren entstünden dem Land Berlin zusätzliche Kosten im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Der Bund beteilige sich nur noch einen Monat nach der Entscheidung des Bundesamtes an den Unterbringungskosten für Flüchtlinge. Zögen sich Klagen gegen die Asylbescheide hin, müsse Berlin in der Zeit die Kosten tragen. „Wir sind da im Stich gelassen“, meinte der SPD-Politiker. Der Bund sollte mindestens drei weitere Monate Finanzhilfe geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen