piwik no script img

US-Alleingang gegen Russland

USA Das US-Repräsentantenhaus verabschiedet neue Sanktionsmaßnahmen gegen Russlands Energiesektor. Davon könnte auch Europas Wirtschaft betroffen sein

Bedroht durch US-Sanktionen? Arbeiter an der Nord-Stream-2-Pipeline Foto: Jens Büttner/dpa

WASHINGTON/BERLIN/MOSKAU/BRÜSSEL afp | Angesichts der vom US-Repräsentantenhaus beschlossenen neuen Sanktionen gegen Russland, den Iran und Nordkorea stellt sich die EU-Kommission in Brüssel auf Gegenmaßnahmen ein. Mögliche Auswirkungen des Beschlusses auf die unabhängige Energieversorgung der Euro­päi­schen Union bereiteten Sorge, erklärte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel.

„Wenn unsere Bedenken nicht ausreichend berücksichtigt werden, sind wir bereit, binnen wenigen Tagen zu reagieren“, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der Mitteilung. „ ‚America First‘ kann nicht bedeuten, dass die europäischen Interessen als Letztes kommen.“

Die neuen Sanktionen sollen sich gegen jedes Unternehmen richten können, das zur „Entwicklung, Instandhaltung, Modernisierung oder Reparatur“ von russischen Pipelines zur Energieausfuhr beiträgt. Dies könnte Auswirkungen auf die europäische Infrastruktur haben, befürchtet die EU-Kommission. Konkret sieht die Behörde unter anderem die Instandhaltung der ukrainischen Transitpipeline nach Europa in Gefahr.

Derzeit versuche die EU „über alle diplomatischen Kanäle“, ihre Bedenken den USA zu vermitteln, hieß es weiter. Welche Gegenmaßnahmen die EU gegebenenfalls einleiten könnte, ließ die Kommission offen.

Deklariert als Reaktion auf die mutmaßlichen russischen Hackerangriffe während des US-Wahlkampfs sowie die Annexion der Krim, hatte das US-Repräsentantenhaus am Dienstag neue Sanktionen gegen Russland beschlossen. Für das Maßnahmenpaket stimmten 419 US-Abgeordnete, lediglich drei votierten dagegen. Damit würden „die Schrauben bei unseren gefährlichsten Gegnern enger gezogen“, sagte der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan. Als Nächstes muss der Senat über die Maßnahmen abstimmen. Seine Zustimmung gilt als sicher.

Zunächst hatte es so ausgesehen, also könnte Präsident Donald Trump sein Veto einlegen. In den vergangenen Tagen si­gnalisierte das Weiße Haus aber, dass Trump die neuen Sanktionen wohl in Kraft setzen wird. Die Maßnahmen beinhalten auch einen Mechanismus, der es dem Präsidenten erschwert, die Sanktionen später von sich aus zu lockern.

Ebenso wie Firmen in anderen europäischen Ländern könnten auch deutsche Unternehmen wegen gemeinsamer Projekte mit Russland wie etwa der Erdgaspipeline Nord Stream 2 von den Strafmaßnahmen betroffen sein. So könnte etwa der Zugang der betroffenen Firmen zu US-Banken erschwert werden. Die Pipeline Nord Stream 2 soll ab 2019 Erdgas aus Russland über die Ostsee direkt nach Deutschland liefern.

Russlands Vizeaußenminister Sergei Riabkow verurteilte die neuen Strafmaßnahmen als Hindernis für eine Normalisierung der Beziehungen beider Länder. „Die Unterzeichner und Befürworter dieses Gesetzentwurfs unternehmen einen schwerwiegenden Schritt dahin gehend, die Möglichkeiten einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland zu zerstören“, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Riabkow erinnerte daran, dass Moskau wiederholt Warnungen an Washington gerichtet habe, dass neue Sanktionen „nicht unbeantwortet“ bleiben würden.

„Wir sind bereit, binnen wenigen Tagen zu reagieren“

Jean-Claude Juncker

Auch Irans Präsident Hassan Ruhani warnte Washington angesichts der neuen US-Sank­tio­nen vor einem Verstoß gegen das Atomabkommen und drohte mit Gegenmaßnahmen. Vize­außenminister Abbas Araktschi sprach von einer „offenkundig feindlichen Maßnahme“, auch wenn es sich nur um eine Zusammenstellung früherer US-Strafmaßnahmen im nichtatomaren Bereich handele. Der Parlamentsausschuss für nationale Sicherheit und auswärtige Angelegenheiten kündigte eine Sondersitzung für Samstag an.

Meinung + Diskussion

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen