: Emmanuel Macron kann jetzt durchregieren
Frankreich Die Partei des Präsidenten, La République en Marche, verfügt nach dem zweiten Wahlgang über die absolute Mehrheitder Sitze in der Nationalversammlung. Marine Le Pen erobert eins von acht Mandaten für den FN. Wahlbeteiligung bei 43 Prozent
Aus Paris Rudolf Balmer
Der neue französische Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung haben am Sonntag im zweiten Wahlgang für die Abgeordneten der Nationalversammlung wie erwartet eine klare Mehrheit bekommen. Die Präsidentenpartei La République en Marche (REM) verfügt mit 308 Sitzen (von insgesamt 577) über eine absolute Mehrheit. Hinzu kommen für die Regierungskoalition die 42 Mandate des zentrumsdemokratischen Partners MoDem (Partei des Justizministers François Bayrou) sowie wahrscheinlich mehrere als Unabhängige oder als Kandidaten anderer Parteien gewählte Abgeordnete. Zusammen sind dies etwas mehr als 350 Stimmen.
Das ist ausreichend für die Vertrauensabstimmung nach der Regierungserklärung von Premierminister Edouard Philippe am 4. Juli. Aber es ist nicht der „Tsunami“ von weit mehr als 400 oder gar annähernd 500 Sitzen, den die Meinungsinstitute ausgehend von den Resultaten des ersten Wahlgangs am 11. Juni angekündigt hatten. Die Enttäuschung darüber dürfte sich bei REM-MoDem in Grenzen halten. Die Hauptsache war für die Regierung, den Spielraum zum gesetzgeberischen Handeln zu bekommen.
Die Zeitung Le Monde fasst das Endergebnis daher so zusammen: „Eine absolute Mehrheit, aber ein relativer Sieg“. Es war vor allem die niedrige Wahlbeteiligung von knapp 43 Prozent, die diese Korrektur der Tendenz erklärt. Macrons vorab angekündigter Triumph wirkte demotivierend und demobilisierend für viele Stimmberechtigte.
Umgekehrt erhöhte dies das Gewicht der besonders motivierten Wähler. Das erklärt die Sitzgewinne der linken Bewegung La France insoumise (FI) von Jean-Luc Mélenchon, die mit 17 Gewählten in Fraktionsstärke in der Nationalversammlung vertreten sein wird und dort mit den zehn Kommunisten vom PCF zusammen agieren kann. Mélenchon selber wurde in Marseille gewählt.
„Le Monde“, Tageszeitung
Auch der rechtsextreme Front National (FN) kommt laut letzten Resultaten auf acht Mandate, eines davon eroberte Parteichefin Marine Le Pen in ihrer nordfranzösischen Hochburg Hénin-Beaumont. Das ist einerseits ebenfalls mehr, als die Prognosen erwarten ließen, bleibt aber im Vergleich zum Stimmenanteil von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen eine magere Ausbeute. Der FN forderte am Wahlabend einmal mehr die Einführung des Verhältniswahlrechts. Sowohl Mélenchon als auch Le Pen beanspruchen für sich die Rolle von Wortführern einer radikalen Opposition zum liberalen Regierungskurs.
Eine verheerende Niederlage mussten die Sozialisten und ihre Verbündeten, die linken Radikalen (PRG) und die Grünen (EELV), einstecken. Noch nie haben die französischen Sozialdemokraten eine derartige Schlappe erlitten, die ihre Existenz als Volkspartei infrage stellt. Die Absage an die vormalige Regierungsmehrheit von Präsident François Hollande könnte nicht deutlicher sein. Mehrere frühere Regierungsmitglieder, wie Ex-Erziehungsministerin Najat Vallaud-Belkacem, Ex-Justizminister Jean-Jacques Urvoas, Ex-Gesundheitsministerin Marisol Tourraine sowie Ex-Arbeitsministerin Myriam El Khomri, wurden oft sehr klar eliminiert.
Zusammen kommen diese gemäßigten Linksparteien gerade noch auf 45 bis 49 Mandate. Es ist nicht klar, wer sich von diesen Abgeordneten zur Opposition zählt und wer sich eher als Teil der Präsidentenmehrheit fühlt. Ein Beispiel dafür ist der vormalige Premierminister Manuel Valls, der als Unabhängiger mit einem hauchdünnen Vorsprung vor seiner Gegnerin vom FN gewählt wurde.
Dieselbe Unklarheit bezüglich ihres politischen Standpunkts besteht aber auch bei den 139 Gewählten der Bürgerlich-Konservativen (LR-UDI). Ein Teil von ihnen hat sich öffentlich für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Regierung des Ex-LR-Mitglieds Edouard Philippe ausgesprochen. Der andere Parteiflügel, der für einen klaren Oppositionskurs ist, macht diese verkappten Macronisten für die Niederlage verantwortlich, die auch das bürgerliche Lager hinnehmen musste.
Von den linken und rechten 350 „Altabgeordneten“ wurden nur 145 wiedergewählt. Drei Viertel der Mitglieder der neuen Nationalversammlung sind parlamentarische Anfänger. Das gab es noch nie in Frankreichs Nachkriegsgeschichte.
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