Saisonfazit Werder Bremen: Gefühlter Bayernfan für 11 Spieltage

Hinten nicht ganz dicht. Aus einem Zauderer wird „Magneto“. Mäxchen spielen. Die erste richtig gute Serie. Ein ABC zum #SVW.

Ein Mann, Alexander Nouri

Alexander Nouri: „Ich habe nichts gegen das Wort Europa, bin ja nicht die AfD.“ Foto: dpa

A – Aua. 0:6 gegen Bayern München. 1:4 gegen Borussia Mönchengladbach, 1:3 gegen RB Leipzig. Werder kassiert in der Hinrunde Gegentore wie Toll Collect Mautgebühren, es ist ein automatisches Verfahren. Die große Rückrunden-Serie (=>S wie Serie) reißt gegen Köln, wo der SVW drei Tore schießt – und vier bekommt. Auch gegen Hoffenheim und den BVB reichen drei Tore nicht zum Sieg, Und doch: Sechs Spiele zu Null gespielt (zum Vergleich: In der Saison 15/16 waren es zwei). Noch eine Verdreifachung und in der nächsten Saison werden es 18 Zu-Null-Spiele sein, in der übernächsten dann 54 (von 34). Läuft bei Werder.

B – Bartels, Fin. Ob im offensiven Mittelfeld oder als hängende Spitze, Fin Bartels spielt besser denn je. Vor allem bei Kontern, wenn er, der schon früh Ergraute, jüngere und dynamischer wirkende Verteidiger einen Meter hinter sich lässt. Liegt es am Sturmpartner (=>K wie Kruse)? Oder am Trainer (=>N wie Nouri)?

C – (Ex-)Captain. Clemens Fritz. Hört nach der Saison auf. War ein wichtiger Spieler in dunklen Zeiten. Nur seine angeblich abschirmenden Kreiselbewegungen mit Ball 15 Meter vor dem eigenen Strafraum werden nicht fehlen.

D – Delaney, Thomas. Wo er ist, ist Einsatz. Danke, FC Kopenhagen, für diesen Spieler. Danke Dänemark, dass Migration wenigstens von Norden nach Süden stattfinden darf.

E – Europäische Wettbewerbe. Waren kurz in Sicht. Dann halt nächstes Jahr.

F – Fans. Bei schlimmen (wieviele Fehlpässe schaffen wir heute?) und schlimmsten (wir passen einfach gar nicht mehr) Spielen allenfalls mürrisch. Nie unsolidarisch. Seit Februar gute Laune, viel Unterstützung. Hätten es verdient, auch mal zum Auswärtsspiel nach Antwerpen statt Augsburg oder Kiew statt Köln zu fahren (=> E wie Europäische Wettbewerbe).

G – Gnabry, Serge. Der Überraschungstransfer. Der stärkste Werderaner der Hinrunde. Der in Fußballkneipen für albernes Gekicher sorgt, weil niemand glauben mag, dass der jetzt für den SVW spielt. Wenn es um Gerüchte zu seinem Vertrag und einer möglichen Ausstiegsklausel oder einem Bayern-Vorkaufsrecht geht, werden aus Feinden von Verschwörungstheorien in Sekunden schwadronierende Ufo-Sichter und Aluhüte. Bleibt er? Kaum zu glauben. Geht er? Mit den Einnahmen könnte Davie Selke zurückgeholt werden.

H – Hurra-Fußball. Nix da. Selbst in der 29-Punkte-Serie gab es Spiele, die nur erdulden konnte, wer auf Werder steht. Wie hässlich der 2:0-Sieg gegen Darmstadt war, was für ein Defensivgeacker zum 1:2 in Wolfsburg gehörte. Das beste Spiel der Saison? Das 3:0 gegen RB Leipzig.

I – Idee, fixe. Nicht nur die Abstiegsangst ging im Lauf der Saison verloren, sondern auch so mancher Fan-Aberglaube. Wenn ich mir Werder-Spiele ansehe, verliert das Team. Also schaue ich sie mir nicht mehr an. Wenn es dann aber gewinnt, ärgere ich mich, den Sieg nicht gesehen zu haben. Merke: Fixe Ideen taugen nichts, fixe Konter schon.

J – Johannson, Aron. Stürmer. Mal auf der Bank, mal auf der Tribüne. Kaum gute Szenen, wenn er denn spielte. Wechselkandidat, wie auch Ulisses Garcia und so mancher verliehene Spieler. Definitiv kommen werden Ludwig Augustinsson (Linksverteidiger aus, Tusch!, Kopenhagen) und Jérȏme Gondorf (zentrales Mittelfeld aus Darmstadt => X wie X-mal gewundert).

Ein Mann, Max Kruse

Hat jemand „moppelig“ gesagt? Foto: dpa

K – Kruse, Max. Mäxchen spielen: 15 Tore, davon vier im Rückrundenspiel gegen Ingolstadt. Unberechenbar, bindet stets zwei Verteidiger. Große Teile der Hinrunde wegen einer Verletzung verpasst, bei der Rückkehr wegen Moppeligkeit verspottet. Moppeligkeit, haha, Moppeligkeit mit einem Kicker-Spielernotenschnitt von 2,82 (vor dem letzten Spiel).

L – Lieblingsgegner. HSV. 2:2 im Hinspiel, Not gegen Elend, drittligareifer Auftritt beider Teams. 2:1 im Rückspiel, ein Arbeitssieg, nichts Hektisches, nach dem Rückstand einfach cool weitergespielt, gewonnen, die Abstiegsgefahr endgültig gebannt.

MMittelfeldmannschaft. Passt schon. Wer sich so viele Gegetore fängt, kommt halt nicht höher. Die =>F wie Fans hätten gern mehr.

N – Nouri, Alexander, folgte Mitte September auf Viktor Skripnik (=>T wie Trainerwechsel). Es brauchte Zeit – vier Monate –, bis Nouris bevorzugtes Spielsystem funktionierte: Dreierkette, Stärkung des zentralen Mittelfelds, mehr direktes Passspiel nach vorn, variable Standards. Satz des Jahres vor dem Rückspiel gegen Köln, bei dem es um Qualifikationsplätze für die Europa League ging: „Ich habe nichts gegen das Wort Europa, bin ja nicht die AfD.“

O – Oesterreicher, Österreicher. Seit den Zeiten Bruno Pezzeys und Andreas Herzogs gibt es eine Direktverbindung zwischen dem Brenner und der A1, Abfahrt Bremen. Von Marko Arnautovic über Martin Harnik bis Sebasian Prödl kamen und gingen Spieler aus dem Land, dessen Nationalmannschaft sich zum Erfolg verhält wie die FPÖ zu einer humanen Flüchtlingspolitik. Mit Florian Grillitsch, Zlatko Junuzovic und Florian Kainz waren in der Saison 16/17 abermals reichlich Ösis im Team des SVW. Beim 3:0 gegen RB Leipzig trafen alle drei, darauf einen Obstler! Grillitsch verlässt Werder.

P – Pizarro, Claudio. Nur ein Tor in dieser Saison (letzte Saison: 14), häufig nur 20, 30 Minuten als Einwechselspieler auf dem Platz. Was soll's. Gewohnt gut gelaunt.

Q – Quatsch. „Diese Saison steigt Werder ab!“ In der Hinrunde oft gehört und manchmal auch gelaubt. Lange vor den letzten Spieltagen (=>L wie Lieblingsgegner) gerettet.

R – Resterampe. Bei Werder bilden sie die Abwehr-Dreierkette: Niklas Moisander, Lamine Sané, Milos Veljkovic. Veljkovic war schon ein Jahr da, spielte überwiegend in der zweiten Mannschaft, Moisander und Sané kamen für wenig Geld neu hinzu – klarer Fall von Resterampe, wie viele meinten. Passte anfangs nicht, dann doch, am Ende der Saison wieder Gegentore en masse. Auf starke Spiele folgten Aussetzer. Dennoch: fast schon Ikea statt Resterampe. Verstärkung in der Innenverteidigung sollte trotzdem her – mal sehen, was es im Sommer für 99 Cent gibt.

S – Serie, die. Vergessen Sie „Breaking Bad“, „Homeland“ und andere „Couchreporter“-Formate. Max Kruse ist der neue Walter White, Fin Bartels die bessere Carrie Mathison. Elf Spiele ohne Niederlage in der Rückrunde, davon neun Siege. 29 von 33 möglichen Punkten. Interessant, mal in die Psyche von Fans des FC Bayern München eintauchen zu können. So fühlen die sich also ständig.

T – Trainerwechsel. Als Viktor Skripnik gehen musste, stand Werder auf Platz 18, 0 Punkte, 2:12 Tore, zwei Plätze hinter (!) dem HSV. Auf die verhältnismäßig gute Rückrunde der vergangenen Saison folgte der Absturz, den Skripnik, ein Freund des gepflegten Defensivwechsels nach 65 Minuten, nicht defensiv auswechseln konnte. Alexander Nouri (=> N wie Nouri) übernahm.

U – Unterdurchschnittlich. Auffällig in der Statistik sind allein die Werte beim Ballbesitz. Macht aber nichts, solange die Torquote überdurchschnittlich ist.

„Etwas Besseres als den Todt findest du überall“: die Bremer Stadtmusikanten über den HSV Foto: dpa

V – Verein. Schon die Bremer Stadtmusikanten sagten mit Blick auf den Sportchef des HSV: „Etwas Besseres als den Todt findest du überall.“ Warum so bescheiden? Mit Frank Baumann hat sich ein Geschäftsführer Sport gefunden, der seine Sache ruhig und unauffällig macht. Und bislang sehr gut.

W – Wiedwald, Felix. Die Nummer Eins im Tor, #Wiedwall. Teils gruselige Hinrunde mit Zaudern beim Rauslaufen, Schwächen beim Mauerstellen, wirkte oft unsicher und verzweifelt. Wochenlang nur noch die Nummer Zwei hinter Jaroslav Drobny. Bekam seine zweite Chance und nutzte sie. Stark auf der Linie, saugt selbst unhaltbare Bälle an, Kneipenruf: „Magneto“. Nur das Gehampel bei Elfmetern nervt.

X – X-mal gewundert in dieser Saison. Darüber, wie grundsolide Maximilian Eggestein und Milos Veljkovic in wichtigen Partien gespielt haben; darüber, wie angenehm es war, Izet Hajrovic und Luca Caldirola mal wieder auf dem Platz zu sehen; über den geschickten Zug, Torsten Frings als Trainer beim Abstiegskonkurrenten Darmstadt 98 zu installieren und die späte Erkenntnis, dass man über gute Trainer keine schlechten Witze machen sollte; am meisten aber über die Chancenverwertung. Aus wenig 61 Tore zu machen, das ist das Fazit im Fazit zum SVW in der Saison 16/17.

Y – Yatabaré, Sambou. Schon lange in die zweite Mannschaft zurückgestuft, nur wegen des Ypsilons erwähnenswert.

Z – Zweite Mannschaft, auch U23 genannt. Klassenerhalt in der 3. Liga wieder mal gerade so geschafft, Glückwunsch!

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