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Darf Regierung gegen AfD polemisieren?

Prozess Wissenschaftsministerin Johanna Wanka hat der AfD die „Rote Karte“ gezeigt. Sie rechtfertigte das beim Bundesverfassungsgericht mit einem „Recht auf Gegenschlag“

Minister dürfen politisch diskutieren, dafür aber nicht ihr Ministerium nutzen

KARLSRUHE taz | Eigentlich muss sich die Bundesregierung im Wettbewerb der Parteien neu­tral verhalten. Aber gilt das auch, wenn sie angegriffen wird? Darüber verhandelte am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht (BVerG).

Auslöser des Streits war 2015 eine AfD-Demonstration gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Das Motto der Demo: „Rote Karte für Merkel – Asyl braucht Grenzen“. Kurz vor der Kundgebung reagierte ­Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) auf der Homepage ihres Ministeriums. Unter dem Titel „Rote Karte für die AfD“ warnte Wanka, die Demo unterstütze „Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben“. Dagegen wehrte sich die AfD mit einer Organklage beim BVerG. Wanka habe die staatliche „Neutralitätspflicht“ verletzt.

Die AfD hat gute Chancen, denn erst im Oktober 2014 hatte Karlsruhe entschieden: Minister dürfen zwar an politischen Diskussionen teilnehmen und dort auch andere Parteien angreifen, allerdings dürften sie dabei nicht die Ressourcen ihres Ministeriums nutzen. Das Verfassungsgericht erließ noch am Tag der AfD-Demonstration eine einstweilige Anordnung: Wanka musste die Pressemitteilung entfernen.

In der mündlichen Verhandlung erkärte Wanka, sie stehe zu ihrer Aktion. Die AfD habe versucht, Ängste der Bevölkerung in Hass auf die Bundesregierung zu verwandeln. „Da muss es möglich sein, dass ich als Mitglied der Bundesregierung reagiere.“ Ihr Rechtsvertreter Joachim Wieland glaubt, dass die bisherigen Urteile zur Chancengleichheit hier nicht helfen. „Da ging es immer um den Wahlkampf“, so Wieland. Der Streit über die Flüchtlingspolitik habe aber mit Wahlkampf nichts zu tun. Die Bundesregierung habe auch ein „Recht auf Gegenschlag“, so Wieland. „Wer die Auseinandersetzung sucht, muss auch mit einer Antwort rechnen.“

„Frau Wanka hätte die Erklärung ja auf ihrer privaten Webseite veröffentlichen können“, argumentierte der AfD-Anwalt Marc Vallendar. „Aber sie wollte die größere Reichweite und die amtliche Qualität der Ministeriumsseite“.

Die Verfassungsrichter wunderten sich vor allem über den Inhalt von Wankas Erklärung. „Sie enthält kein Wort zur Flüchtlingspolitik“, so der federführende Richter Peter Müller, „was hat das mit Verteidigung zu tun?“ „Wenn ein Angriff polemisch ist, darf die Regierung auch polemisch reagieren“, behauptete Regierungsvertreter Wieland. Andreas Voßkuhle, Präsident des Verfassungsgerichts, fragte irritiert nach: „Falls die Regierung mit Fake News angegriffen wird, darf sie dann auch mit Lügen antworten?“

In der Verhandlung deutete sich an, dass die Richter die Bundesregierung weiterhin zu Neutralität verpflichten wollen. „Wenn die Auseinandersetzung zunehmend verroht, muss die Regierung dann nicht erst recht ein Vorbild an Sachlichkeit sein?“, fragte Richterin Christine Langenfeld. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

Christian Rath

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