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Blauhelme auf Baustellentour

Klassenfahrt Der Hauptausschuss fährt von Spandau bis zur Staatsoper, um zu überprüfen, was er in Berlin eigentlich finanziert. Erstmals mit dabei ist die AfD

Dauerbaustelle Staatsoper. Ist das alles bis Oktober fertig? Foto: Sophia Kembowski/dpa

von Stefan Alberti

Es ist wie vor einer Klassenfahrt: Alles steht in Cliquen zusammen, bis auf den Außenseiter. Bei den gut 40 Menschen, die vor dem Parlament auf ihren Bus warten, hat der AfD-Abgeordnete Carsten Ubbelohde diese Rolle. Allein steht er da, bis seine Parteifreunde eintreffen. Die Klassenfahrt ist nämlich eine Baustellenrundtour des Hauptausschusses: Der mächtigste Parlamentsausschuss will sich vor Ort anschauen, wofür er viel Geld gegeben hat und weiter geben soll.

Der erste Halt führt die Abgeordneten, diverse Mitarbeiter und Regierungsmitglieder nach Spandau. Vor allem im Wahlkampf war wiederholt zu hören, manche U-Bahn-Strecken seien weit über die Endbahnhöfe hinaus gebaut und ließen sich so angeblich kostengünstig verlängern. Der Bahnhof „Rathaus Spandau“ ist eines dieser sogenannten Vorratsbauwerke: Statt zwei Vertiefungen für Gleise gibt es vier, der Tunnel führt noch über 500 Meter weiter. In der Enge der U-Bahn, mit der die Abgeordneten sich das alles anschauen, wird das mit dem Abstandhalten zur AfD schwieriger: Ubbelohde hilft, einen Plan zu halten, stellt einem begleitenden BVG-Mann Fragen – wer mitreden will, kann da nicht auf Distanz bleiben.

Später am Tag, nach weiteren Stopps am Olympia-Bad und an der Messe, wird das noch schwieriger. Nach einem Rundgang durch die beinahe fertiggestellte Baustelle der Staatsoper müssen die ausgeliehenen Schutzhelme zurück. Ubbelohde greift sich den eines Grünen- und eines Linken-Abgeordneten und bringt die einfach mal mit weg. Im Juristischen würde das wahrscheinlich unter „aufgedrängte Bereicherung“ laufen.

Der Halt an der Staatsoper ist auch rein optisch der Höhepunkt der Tour. Im Obergeschoss klebt an der Wand ein Zettel: „Deutsche Staatsoper“ – ein Hinweis auf eine kommende Opernfusion? Über 400 Millionen Euro, viel mehr als veranschlagt, kostet die Sanierung, für den 3. Oktober ist die erste Aufführung angekündigt, Jahre später als geplant. Im Bau-Gewusel des Zuschauerraums sehen viele Gesichter, auch bei Koalitionsabgeordneten, skeptisch aus: Ist das wirklich alles in fünf Monaten fertig?

Die Tour endet nach einem Besuch in der künftigen Flüchtlingsunterkunft in Wartenberg an der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg. Die ist teils weiter besetzt (aber nur noch von 22 Leuten), teils offizielle Flüchtlingsnotunterkunft für rund 120 Menschen, vor allem Frauen mit Kindern. Die landeseigene Wohnungsgesellschaft Howoge will davor 140 Wohnungen bauen und wartet auf eine Genehmigung. Laut Stadtrat Florian Schmidt von den Grünen ist die Zahl der Stockwerke noch umstritten, in einem Monat soll es Klarheit geben.

Am Eingang stehen Sicherheitsleute. 860.000 Euro koste das pro Jahr, hören die Abgeordneten. Die AfD muss jetzt was sagen, man hat beim Flüchtlingsthema schließlich einen Ruf zu verlieren: Und das zahle alles der Steuerzahler? Ubbelohde guckt fragend. Wer sonst, könnte man meinen, doch Stadtrat Schmidt weiß es besser: „Nein, der Bezirk.“ Auch nicht viel sinniger.

Als der Bus abends wieder am Parlament hält, gehen die Mitglieder des Hauptausschuss nicht etwa auseinander. Vielmehr steigen sie die Treppe zu Raum 113 hoch. Es steht noch eine reguläre Sitzung an.

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