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Schuldenkrise in GriechenlandEin Supersparplan bis 2060

Finanzminister Schäuble blockiert Hilfen für Griechenland. Nun wird die Zeit eng – die Gläubiger denken über gewagtere Rechentricks nach.

Cartoon-Ausstellung in Athen: Warten auf Schäuble Foto: ap

Brüssel taz | Droht Griechenland eine neue Schuldenkrise? Diese bange Frage treibt die EU in Brüssel um, nachdem die Eurogruppe am Montag ohne Ergebnis auseinander gegangen war. Die Finanzminister der Eurozone konnten sich weder auf die fällige Freigabe neuer Hilfskredite noch auf Schuldenerleichterungen einigen.

Bei der neunstündigen Marathonsitzung stand vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf der Bremse. Er weigert sich, Griechenland neue Gelder zu überweisen, solange der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht mitzieht. Gleichzeitig sperrt er sich gegen Schuldenerleichterungen, die der IWF fordert.

Mehrfach versuchte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem zwischen Schäuble und den Generaldirektoren des IWF zu vermitteln. Zeitweise wurde auch Frankreichs neuer Finanzminister Bruno Le Maire hinzugerufen. Doch auch er konnte die Blockade des deutschen Ministers nicht auflösen.

„Die Bundesregierung blockiert überhaupt nichts“, gab Schäuble trotzig zurück. Er sei aber nicht bereit, vor dem Sommer 2018 über Schuldenerleichterungen zu reden. Gleichzeitig beharrte er darauf, dass „die Bundesregierung“ neuen Hilfen für Griechenland nur dann zustimmen könne, wenn der IWF seine Beteiligung zusagt.

Ohne Hilfe droht die Pleite

Indirekt droht Schäuble also damit, die im Juli fällige Hilfszahlung von 7 Milliarden Euro aufzuhalten. Wenn der IWF seine Meinung nicht noch ändere, „dann müsste ich sagen, dafür habe ich keine Grundlage“, betonte er. Griechenland würde kein frisches Geld erhalten.

Dabei läuft die Zeit ab: Die Regierung in Athen muss im Juli alte Kredite zurückzahlen, doch die Kassen sind leer. Spätestens beim nächsten Treffen der Eurogruppe am 15. Juni muss eine Lösung her. Sonst droht die Pleite, die durch das 86 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm eigentlich verhindert werden sollte.

Schäuble versuchte, die Schuld den Griechen in die Schuhe zu schieben. Sie hätten sich gegen einen Kompromiss gewehrt, der eine Beteiligung des IWF vorsieht – allerdings erst ganz am Ende des laufenden Programms im Sommer 2018. Finanzminister Euclid Tsakalotos fürchtet offenbar, dass dies auf einen neuen Bailout hinausliefe.

Doch auch der IWF ist von dieser Lösung nicht überzeugt. Man habe zwar Fortschritte erzielt, sei aber noch nicht am Ziel, sagte der Europa-Chef des IWF, Poul Thomsen. „Wir denken, dass mehr Realismus in den Annahmen nötig ist.“ Der IWF bezweifelt, dass die Schuldenlast langfristig tragfähig ist.

Um sie doch noch tragbar zu machen, planen Schäuble und seine Kollegen der Eurogruppe einen Rechentrick: Sie erwägen, einen neuen Supersparplan zu fordern, der bis ins Jahr 2060 reichen könnte. Bis 2023 soll das griechische Budget einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ausweisen, danach 2 Prozent. Doch selbst das würde nicht sicherstellen, dass die durch die Hilfsprogramme massiv aufgeblähte Schuldenlast sinkt. Denkbar wäre dies nur, wenn die griechische Wirtschaft kräftig wächst. Zuletzt ist sie in die Rezession zurückgefallen – jetzt droht die nächste Krise.

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9 Kommentare

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  • Griechenland, lass dich nicht noch mehr verknechten. Freiwillig raus aus dem Euro, eigene Währung einführen und der EU den Stinkefinger zeigen!

     

    Da bin ich ein bisschen enttäuscht von der griechischen Regierung. Es gäbe dann zwar auch Jahre des Leidens, aber wenigstens keine Abhängigkeit und Unterdrückung. Ganz zu Schweigen vom Ausverkauf der griechischen Wirtschaft.

    Was noch Geld einbringt (z.B. Flüghäfen) wird aufgekauft, was Miese macht dürfen die Griechen behalten. Und man selbst feiert sich als "Retter".

     

    Alle schauen immer nur auf das Geld. Aber in Griechenland geht es um Menschen! Die Menschen leiden, das ist den sch... Politikern egal. Sowas nennt sich Christlich-sozial?

    Ich nenne das widerlich und menschenverachtend!

     

    Noch ein kleiner Punkt bezüglich den Renten:

    Bedenkt bei der Rente bitte auch, dass sehr viele Rentner in Deutschland mit Hatz IV aufstocken müssen. Das Geld wird in die Rentenausgaben in Deutschland nicht mit einberechnet. Tut man das, sieht die Lage bestimmt anders aus.

  • Grundlage der deutschen Beteiligung am dritten Rettungspaket war die Beteiligung des IWF hieran. Also muss Herr Schäuble alles daran setzen um den IWF ins Boot zu holen.

  • Griechenland wird nur auf eigenen Fuessen stehen koennen, wenn Sie ihr Rentenproblem loesen.

    Griechenland gibt gemessen am BIP doppelt so viel fuer Renten aus wie Deutschland: das ist nicht finanzierbar, da reichen auch die beschlossenen Rentensenkungen nicht aus.

    Haetten wir in Deutschland ein Rentenniveau wie in Griechenland, bedeutet das Mehruagaben von 220 Milliarden. Wuerden diese Mehrausgaben genau wie in Griechenland ueber den Staatshaushalt abgewickelt wuerde der deutsche Staatshaushalt von 660 auf 880 Milliarden steigen. Das waere auch in Deutschland nicht finanzierbar: das Haushaltsdefizit wuerde explodieren.

    Nebenbei geben die Griechen auch noch doppelt soviel fuer Militaer aus (bezogen auf das BIP) wie in Deutschland und haben 50 % mehr Staatsbeamte (bezogen auf die Bevoelkerung).

    • @naemberch:

      "Griechenland gibt gemessen am BIP doppelt so viel fuer Renten aus wie Deutschland...Nebenbei geben die Griechen auch noch doppelt soviel fuer Militaer aus (bezogen auf das BIP) wie in Deutschland und haben 50 % mehr Staatsbeamte (bezogen auf die Bevoelkerung)."

       

      Warum trifft man "Griechen-Bashing" in der EU ausdrücklich vorallem bei deutschen Medien? Bei Medien in Italien, Frankreich, Spanien, Portugal... sieht man sowas nicht.

       

      Wenn man z.B über Sozialleistungen spricht, sollte man doch zu den Renten, um gerecht zu sein, auch alle anderen Leistungen dazuzählen (Arbeitslosengeld usw.). Liegen die Sozialleistungen insgesamt so gemessen am BIP in Griechenland höher als in Deutschland?

       

      Oder der Mythos, dass z.B. die Griechen viel zu viele Staatsbeamte haben.

       

      Gemäss "Government at a Glance 2015" (OECD) lagen die Staatsbeamte als "Prozent der Gesamtbeschäftigung - 2013" in Griechenland (GRC) bei 17,5%!

      In Frankreich dagegen bei 17,9%, Kanada 19,0%, Grossbritanien 21,5% und Norwegen 33,4% usw. - in OECD bei insgesamt 19,3% und in Deutschland vergliechen bei 14.2% (2009).

       

      Public sector employment as a percentage of total employment, 2013:

       

      NOR33.4%

      DNK32.2%

      SWE25.8%

      LUX24.8%

      HUN23.9%

      EST 23.8%

      SVK 23.3%

      POL22.6%

      GBR21.5%

      SVN20.9%

      BEL 19.6%

      OECD19.3%

      CAN19.0%

      FRA17.9%

      GRC17.5%

      ...

      DEU14.2% (2009)

      ...

      http://www.oecd-ilibrary.org/governance/government-at-a-glance-2015/employment-in-the-public-sector_gov_glance-2015-22-en

    • @naemberch:

      "Griechenland gibt gemessen am BIP doppelt so viel fuer Renten aus wie Deutschland"

       

      Sorry, aber das ist ne Mildmädchenrechnung. Das BIP ist in Griechen von 354,5 Milliarden 2008 zu 192,2 in 2015 geschrumpft. Jetzt zu sagen das Rentenniveau wäre zu hoch ist schlicht unseriös.

       

      "Haetten wir in Deutschland ein Rentenniveau wie in Griechenland, bedeutet das Mehruagaben von 220 Milliarden."

       

      Dafür haben Sie doch sicherlich Belege oder? Mich würde wirklich interessieren, wie Sie bei einer Durchschnittsrente in Griechenland von 664,69 Euro (https://www.griechenland.net/nachrichten/politik/18500-schutz-der-arbeitnehmer-und-rentner-hat-vorrang-f%C3%BCr-griechenland) auf diese Zahlen kommen.

       

      "Nebenbei geben die Griechen auch noch doppelt soviel fuer Militaer aus (bezogen auf das BIP) wie in Deutschland und haben 50 % mehr Staatsbeamte (bezogen auf die Bevoelkerung)."

       

      Jupp, das ist ein massiver Kritikpunkt. Allerdings hat gerade Deutschland (und die Troika) darauf bestanden, dass Griechenland auf keinen Fall irgendwelche Kürzungen im Militärbereich vornimmt. Man erinnere sich nur an die U-Boote aus Deutschland und die Fregatten aus Frankreich, dessen Kauf zur Voraussetzung für Rettungspakete gemacht wurde.

       

      Seit fast 10 Jahren versucht man nun mit immer den selben Handlungen (Sparen Sparen Sparen) ein anderes Ergebnis als Rezession und massive Verarmung zu Erzielen. Nach Einstein ist das die Definition von Wahnsinn.

      • @Frank Fischer:

        Sorry Herr Fischer. Das mit den U-Booten ist schlichtweg falsch. Diese waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Staatspleite durch die griechische Regierung bereits bestellt und fast fertig gestellt. Deutschland hat lediglich auf deren Abnahme bestandenen. Andernfalls wäre Griechenland zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet gewesen. Seit dem Eintritt der Finanzkrise ist kein weiteres U-Boot bestellt worden. Das ist wohl ein Unterschied.

      • @Frank Fischer:

        "Allerdings hat gerade Deutschland (und die Troika) darauf bestanden, dass Griechenland auf keinen Fall irgendwelche Kürzungen im Militärbereich vornimmt."

        Das sind echte alternative Fakten.

        Die Troika hat immer auf Kuerzungen der Militaerausgaben bestanden, aber Griechenland leht das ab.

      • @Frank Fischer:

        Wenn das BIP sinkt muessen auch die Renten sinken; das ist eine volkswirtschaftliche Trivialitaet.

        Die aktuellen Rentenausgaben koennen Sie bei der Rentenversicherung nachlesen: 2016 ca 220 Milliarden.

        Die hohen griechischen Ausgaben fuer Renten (siehe Eurostat) kommen durch die hohen Zusatzrenten zustande. Das sind Renten, die an Privilegierte vergeben werden (Stichwort Klientelpolitik) und durchaus 2000 Euro betragen (nicht vergessen: BIP in Griechenland nur halb so hoch wie bei uns).

        Deshalb muessen in Griechenland auch die hohen Zusatzrenten gekuerzt werden und nicht die Renten linear gekuerzt werden.

        Aber Herr Tsipras betreibt ja weiter die Klientelpolitik wie ND/Passok: deshalb schuetzt es sein Klientel und kuerzt lieber alle Renten linaer.

        Und auch die griechische Durchschnittsrente ist gemessen am BIP deutlich hoeher wie die deutsche Durchschnittsrente.

  • es ist völlig absurd, dass die griechische Wirtschaft nicht wachsen soll. Normalerweise müsste dies längst der Fall sein, weil die Schattenwirtschaft - ohne Steuern und Abgaben - in die legale Wirtschaft zurückgeführt werden soll. Offenbar liegt hier das Hauptproblem.

    Der Tourismus hat jedenfalls sein Tief lange hinter sich, dazu gibt es viel EU-Geld für die Flüchtlingshilfe, beides sollte allein schon für ein beträchtliches Wachstum sorgen.