Politik greift gegen Leerstand durch: Bezirk lobt die Enteignung

Der Bezirk Mitte hat einem Hausbesitzer die Verfügung über seine Wohnungen, die lange leer standen, entzogen. Nun scheint das Konzept aufzugehen.

Soll eigentlich nicht hingenommen werden: leer stehende Wohnung Foto: Jens Wolf/dpa

HAMBURG taz | „Die Maßnahme hat sich als sinnvoll und bislang erfolgreich erwiesen“, sagt Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Mitte. „Die Maßnahme“, von der sie spricht, ist ein Präjudiz: Zum ersten Mal entzog ein Hamburger Bezirk im vergangenen Herbst dem Besitzer eines Wohnhauses zeitweilig die Verfügungsgewalt über seine Immobilie.

Der Mann hatte mehrere Wohnungen in der Ohlendorffstraße in Hamm seit Jahren leer stehen lassen. Bezirkschef Falko Drossmann (SPD) entschied schließlich, als erster Bezirk das 2013 novellierte Hamburger Wohnraumschutzgesetz anzuwenden, das eine zeitweilige „Zwangsenteignung“ des Hauseigentümers erlaubt, wenn er Leerstand nicht vermeidet.

Da unklar ist, ob eine solche Maßnahme vor Gericht überhaupt Bestand haben würde, warten die anderen sechs Hamburger Bezirke erst einmal ab und beobachten bis heute den Verlauf des Falles aus Mitte. Und der nimmt immer mehr Fahrt auf, nachdem der Eigentümer seine zeitweilige Enteignung zunächst mit der Ankündigung verzögerte, die Wohnungen selbst zu sanieren und zu vermieten. Doch den Worten folgten keine Taten.

Der Bezirk setzte daraufhin zum 1. März die Hausmann-Hausverwaltungs-Gesellschaft als Treuhänder ein. Sie soll die leeren Wohnungen nacheinander sanieren und in einen vermietbaren Zustand bringen. Diese Arbeiten haben allerdings noch nicht begonnen.

Das Wohnraumschutzgesetz von 1992 wurde zuletzt 2013 novelliert und um die Paragrafen 12 a & b ergänzt:

Die zuständige Behörde kann danach bei Zweckentfremdung oder Leerstand „zur Wiederherstellung für Wohnzwecke einen Treuhänder einsetzen, sofern der Verfügungsberechtigte nicht nachweist, dass er selbst (...) die für die Wiederherstellung erforderlichen Maßnahmen eingeleitet und durchgeführt hat“.

Mit der Bestellung des Treuhänders wird dem „Verfügungsberechtigtem“ demnach der Besitz an dem Grundstück entzogen und der Treuhänder in den Besitz eingewiesen.

„Die Einsetzung des Treuhänders ist wieder aufzuheben, sobald er seine Aufgabe erfüllt hat oder zur Sicherstellung der Wiederherstellung des Wohnraums für Wohnzwecke für ihn kein Bedürfnis mehr besteht.“

Noch in dieser Woche will der Bezirk Mitte einen genauen Zeitplan festlegen, wann welche Wohnung renoviert und wieder vermietet werden soll. Ist für alle Wohnungen ein Mieter gefunden, endet der Treuhandauftrag und der Immobilienbesitzer erhält die Verfügungsgewalt über sein nun vermietetes Eigentum wieder zurück.

Das Prozedere sei „sehr zeitintensiv gewesen“, sagt Sorina Weiland und ergänzt, dass es „für ein abschließendes Fazit noch zu früh“ sei. Doch sei es „die ultima ratio“ einem Immobilienbesitzer die Verfügungsgewalt über leer stehenden Wohnraum zu entziehen, „wenn alle anderen Maßnahmen, wie Wohnnutzungsgebote oder Zwangsgelder“ ins Leere gelaufen seien.

Die anderen Bezirke, die bislang zu dem Vorstoß des Bezirks Mitte keine Stellung nehmen wollten, warten noch ab, ob das Konzept von Drossmann am Ende zum erwünschten Resultat führt. Das könnte das Startsignal dafür sein, dass „Zwangsenteignungen“ auf Zeit in Zukunft in Hamburg zur Tagesordnung gehören und kein Hausbesitzer mehr Wohnungen über lange Zeit leer stehen lassen kann, ohne damit rechnen zu müssen, dass die Stadt aktiv eingreift.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.