heute in hamburg
: „Einfluss nehmen“

Gentrifizierung Marco Hosemann spricht über die Versäumnisse der Bezirksversammlung Mitte

Marco Hosemann

Foto: Linda Salicka

31, studiert Urban Design an der Hafencity-Universität und ist einer der Sprecher des Bündnisses „Stadtherz“.

taz: Herr Hosemann, was läuft in den Vierteln um den Hauptbahnhof schief?

Marco Hosemann: Die dort stattfindende profitorientierte Stadtentwicklung ist hoch problematisch. Die Folgen sind in der ganzen Stadt sichtbar, gerade am Hauptbahnhof: steigende Immobilienpreise und Verdrängung. Immer weniger Menschen können sich das Wohnen und Leben im Umfeld des Hauptbahnhofes leisten.

Haben Sie konkrete Beispiele für die verfehlte Stadtentwicklung?

Das Bieberhaus wurde privatisiert und durch private Investoren aufgewertet. Jetzt können sich Mieter wie das Kids, ein Straßenkinderprojekt, die Miete nicht mehr leisten. Auch das Apartmenthaus Neuer Hühnerposten steht auf einem ehemals städtischen Grundstück. Die dort entstandenen Apartments haben sehr hohe Mietpreise. Die Folge: Das Gebäude steht zur Hälfte leer. Ähnliches soll mit einem Grundstück daneben geschehen. Auch die geplante Bebauung des Cityhofes sehen wir sehr kritisch.

Was muss die Bezirksversammlung dagegen tun?

Die Verantwortlichen der rot-grünen Regierungskoalition weichen der Problematik aus und schieben den Schwarzen Peter dem Senat zu. Sie geben vor, gegen Privatisierungen zu sein, und sagen gleichzeitig, dass dies nicht in ihrer Hand liege. Das ist sehr widersprüchlich, da sie Privatisierungen wie beim Cityhof vorantreiben.

Es herrscht ein enormer Verwertungsdruck auf dem Immobilienmarkt: Welchen Handlungsspielraum hat die Bezirksversammlung Mitte überhaupt?

Sie kann Einfluss nehmen. In der Struktur der Stadt ist man dem Senat untergeordnet, aber trotzdem ist man frei und kann sich zu Themen positionieren. Der Bezirk Mitte kann auf den Senat einwirken. Der Cityhof liegt im Bezirk Mitte und fällt damit in das Verantwortungsgebiet der Bezirksversammlung.

Wie sähe Ihrer Meinung nach eine soziale Stadtentwicklung aus?

Privatisierungen stehen im Widerspruch zu einer sozialen Stadtentwicklung. Es gibt jedoch andere Möglichkeiten, Städte zu entwickeln. Zum Beispiel könnte man den Cityhof in eine gemeinnützige Genossenschaft übertragen. So kann man das Gebäude langfristig den Begehrlichkeiten des Immobilienmarktes entziehen.

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