Die Welt macht Energiewende: Sieg der Liebe

Donald Trump kippt den US-Klimaschutz. Ärgert Sie das? Lassen Sie es raus! Und dann üben Sie sich im Besten, was Amerika zu bieten hat: Optimismus.

Rauchschwaden eines Kohlekraftwerkes vor der Kuppel des Kapitols

Das Washingtoner Kapitol, verschwindend in Schall und Rauch Foto: dpa

Gewalt ist schlecht. Bleiben Sie friedlich, ja? Sehen Sie Folgendes als Trick, um den Kopf freizubekommen. Der Satz ist nicht zur praktischen Ausführung gedacht: Ich will Donald Trump in die Fresse hauen.

Am Dienstag war es mal wieder so weit. Als er ein Dekret unterzeichnet hat, das die Klimaschutzpolitik von Barack Oba­ma zurückdreht. Die war für Amiverhältnisse progressiv, ein Tapsen in die richtige Richtung. Obamas Pläne hätten das Aus von Hunderten uralten Kohlekraftwerken bedeutet und Autos ein wenig weniger dreckig gemacht.

Trump ist auf seinem Weltkaputtmachentrip freilich nur der Frontmann einer größeren, richtig paranoiden Bewegung. Rechte Medien wie Fox News glauben, man müsse möglichst viel Öl und Kohle verbrennen, sonst ist alles doof. Verwirrte Christen glauben, der Klimawandel sei vom Teufel erfunden, der mittels staatlichen Regularien den Kommunismus einführen will. Den Ball nehmen die Unternehmen gern auf, die Geld mit Kohle und Öl verdienen.

Das Schöne ist, diese ganzen Deppen verlieren. Jetzt am Donnerstag hat eine Organisation Namens Irena, eine Art Uno für erneuerbare Energien, Zahlen für 2016 veröffentlicht. Und die sind eine echt gute Nachricht. Noch nie sind weltweit so viele Solarzellen, Windparks, Wasserkraftwerke und Biogasanlagen gebaut worden wie im vergangenen Jahr.

In den Industrie- und Schwellenländern haben sich mächtige Wirtschaftsallianzen gebildet, die Geld mit grünem Kapitalismus verdienen wollen

Ich hab die Zahlen mal überschlagen. Selbst wenn man bedenkt, dass Solaranlagen nachts und Windmühlen bei Flaute keinen Strom liefern: Die 2016 weltweit neu gebauten Anlagen zur Ökostromerzeugung produzieren mehr Energie als die netto dazugekommenen Kohlemeiler (netto heißt: circa 150 neue Kohlekraftwerke minus der 2016 stillgelegten, rund 60). Das gab es übrigens noch nie seit Beginn der Industrialisierung.

Wohl gemerkt geht es nur um die neuen gebauten Kraftwerke. Aus dem klimaschädlichen Verbrennen von Kohle stammt global gesehen immer noch 40 Prozent des Stroms, Windkraft kommt auf vier, Solarenergie auf ein Prozent. Und Autos und Heizungen sind noch mal ein eigenes Thema. Aber, die Verhältnisse drehen sich.

Gleichzeitig stellen Umweltschutzorganisationen verwundert fest, dass weltweit massenweise geplante Kohlekraftwerke storniert werden. Warum? Wegen Klimaschutz. Weil erneuerbare Energien mittlerweile spottbillig sind. Weil die Chinesen endlich saubere Luft wollen. Weil immer mehr Investoren keinen Bock mehr auf Kohle haben.

Nehmen wir mal an, die Zivilisation erlebt keinen Ökokollaps, sondern kriegt mittels geregeltem Kapitalismus und internationaler Kooperation die Kurve. Das würde (Lehre aus der Vergangenheit) so aussehen: Eine Mischung aus progressiven Medien, Promis, radikalen Denkern, protestierenden Massen, Kulturschaffenden und beherzten Politikern bildet mit irren Visionen die Öko-Avantgarde.

Wissenschaftler bauen daraus Modelle, die Politik implementiert sie. Hat bisher geklappt; oder wer dachte vor 40 Jahren, dass wir irgendwann überall erneuerbare Energien haben, ein weltweites Klimaschutzabkommen, kein Ozonloch mehr, saubere Flüsse und kein Waldsterben in Europa? Denken Sie mal positiv.

Ächzend Richtung grüneres Wirtschaften

Unternehmen haben aus Umweltschutz Geschäfte und PR-Kampagnen gemacht. Man muss sich den ökologischen Teil von Medien, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wie ein Biotop vorstellen, in dem jeder von jedem lebt. Ständig bilden sich Allianzen, ökologische Lobbyarbeit, und irgendwann springen selbst Teile der Energie- und Autokonzerne auf und bauen Windparks und Elektroautos.

Immer wieder kommt es zu Rückschlägen (George W. Bush, Donald Trump, Philipp Rösler). Aber im Großen ächzt sich die Welt Richtung grüneres Wirtschaften. Zwischenstand 2017: Der globale CO2-Ausstoß steigt seit drei Jahren nicht mehr an; in erneuerbare Energien wird weltweit mehr Geld investiert als in Öl oder Kohle.

Das ist ein Anfang. Wenn die ökologische Weltrettung ein Marathonlauf wäre, dann hätten wir uns jetzt darauf geeinigt, an die Startlinie zu gehen.

Nur Donald Trump nicht. Und das ist der große Unterschied zu 2001. Damals ist George W. Bush aus dem Kioto-Protokoll zum weltweiten Klimaschutz ausgestiegen, es war das politische Ende des Abkommens.

Fluchen hilft

Allerdings sind die Zeiten kaum zu vergleichen. Im Dezember 2015 haben sich im Paris-Abkommen alle Staaten, auch die Entwicklungsländer, zum Klimaschutz verpflichtet. Das Abkommen ist seit November 2016 in Kraft, 141 Staaten haben es bisher ratifiziert.

In den Industrie- und Schwellenländern haben sich mittlerweile mächtige Allianzen in der Wirtschaft gebildet, die Geld mit grünem Kapitalismus verdienen wollen. Die Welt ist mitten im Prozess, die oft zerstörerischen Kräfte der berühmten „Märkte“ umzuleiten, um die alte, dreckige, fossile Wirtschaft zu zerschlagen. Um es mit amerikanischem Optimismus zu sagen: Trumps Dekret kann den Lauf der Geschichte nicht aufhalten.

Ein Selbstläufer ist das aber nicht. Die Entwicklung birgt die Gefahr, zu stagnieren. Bis in 40 Jahren sollten die Menschen kein zusätzliches CO2 mehr emittieren; ohne harte, sehr unbeliebte Entscheidungen wird das nichts. Die eigentliche Gefahr von Donald Trump ist, dass neben ihm selbst die deutsche Autoindustrie wie ein Trupp Greenpeaceaktivisten wirkt.

Deshalb ein Tipp: Fluchen Sie ordentlich auf Trump. Das tut gut und befreit. Dann vergessen Sie ihn. Es gibt zu viel Wichtiges zu tun.

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