piwik no script img

"Die Probleme für Frauen haben nicht am 20. Januar begonnen"

Interpretation Zum ersten Frauenstreik in der US-Geschichte wäre es auch unter einem anderen Präsidenten als Trump gekommen, meint Liz Mason-Deese

Liz Mason-Deese

ist 32 Jahre alt und eine der Organisatorinnen des Frauenstreiks in den USA. Sie arbeitet als Dozentin für Geografie – Spezialgebiet: soziale Bewegungen in Argentinien – an der Mary-Washington-Universität in Fredericksburg, Virginia

taz: Frau Mason-Deese, für den 8. März lautete die Aufforderung an Frauen in den USA: Tragt rot, arbeitet nicht, gebt kein Geld aus und macht kollektive Aktionen auf der Straße. Welche Ziele hat der Frauenstreik?

Liz Mason-Deese: Wir wollen die Arbeit von Frauen sichtbar machen – sowohl die bezahlte als auch die unbezahlte. Wir wollen auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen – sowohl die zu Hause als auch die durch den Staat, inklusive der Polizei. Und wir wollen ein Schlaglicht auf Trumps Frauenfeindlichkeit werfen – insbesondere auf seine Angriffe gegen die reproduktiven Rechte von Frauen und auf seine Einwanderungspolitik, die Frauen besonders hart trifft.

Was sind die historischen Vorbilder für den aktuellen Streik in der USA?

Frauen haben immer eine wichtige Rolle in der Arbeiterbewegung gespielt, besonders in der Textilindustrie. Aber es hat in den USA nie einen allgemeinen Frauenstreik gegeben. In anderen Ländern hingegen wohl: von der russischen Revolution vor einem Jahrhundert über den Frauenstreik in Island bis zu den jüngeren Streiks von Frauen in Polen und in Argentinien am Ende des vergangenen Jahres. Aber dieser 8. März ist völlig neu, weil mehr als 40 Länder mitmachen.

Im Rest der Welt ist der Internationale Frauentag nicht neu. Warum war er bislang kein Thema in den USA?

Das ist wie beim Ersten Mai, der hier auch nicht begangen wird, obwohl er in den USA seine Wurzeln hat. Es gibt hier eine lange Tradition, internationale Bewegungen, insbesondere wenn sie die Rechte von Beschäftigten vertreten, zu verhindern.

Muss frau Trump dankbar sein, weil er die Frauenbewegung und andere soziale Bewegungen stärkt?

Auf eine gewisse Weise, ja. Aber ich glaube, der Internationale Frauentag wäre dieses Jahr in den USA auch ohne Trump ­größer geworden. Denn die „Black Lives Matter“-Bewegung und auch die Bewegung gegen die Dakota Access Pipeline, die beide schon unter Präsident Oba­ma existierten, haben auch die Frauenbewegung gestärkt.

Sie meinen, auch mit einer Präsidentin Hillary Clinton hätte es einen Frauenstreik geben?

Ja. Bloß nicht so groß wie jetzt. Die Probleme für Frauen haben nicht am 20. Januar begonnen. Sie gehen weiter zurück. Wir protestieren gegen eine Politik gegen Frauen. Trump ist dabei sehr extrem. Aber es geht nicht nur um ihn.

Die Organisatorinnen ermuntern Frauen, sich am 8. März krankzumelden. Wie passt das zu einem Streik?

In vielen republikanisch regierten Staaten gibt es nicht einmal das Recht auf kollektive Lohnverhandlungen. Da kann seinen Arbeitsplatz verlieren, wer streikt. Öffentlich Beschäftigte in den Südstaaten haben keine gewerkschaftliche Vertretung und können nicht streiken. Das ist ein größeres Thema in den USA.

Wie lässt sich der Erfolg des Frauenstreiks messen?

Das ist schwer. Frauenarbeit ist so ein weites Feld. Sie verteilt sich über 24 Stunden am Tag und alle Bereiche im Leben. Aber wir sind froh darüber, dass viele Koalitionen in vielen großen und kleinen Städten entstanden sind. Und dass sie so divers sind. Viele Schulbezirke haben schon vorher angekündigt, dass sie zumachen, Universitäten haben Walk-outs und Teach-outs organisiert, und Krankenschwestern, Hausangestellte und Migrantinnen haben sich beteiligt.

Wie stehen die Gewerkschaften zu dem Streik?

Einige lokale Gewerkschaften haben den Aufruf mitunterzeichnet. Aber die großen Gewerkschaften sind sehr zögerlich. Wir hoffen, dass dieser Streik der Arbeiterbewegung neue Anstöße gibt und dass die Gewerkschaftsführungen folgen werden. Und es ist ein Tag, um eine neue feministische Bewegung in den USA aufzubauen.

Dorothea Hahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen