Ein Wolkenkratzer für Hamburg

STADTPLANUNG Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat vorgeschlagen, an den Elbbrücken ein 200 Meter hohes Hochhaus zu errichten. Die Grünen wollen es nur, wenn alle überzeugt sind. Das könnte schwierig werden

Zwischen den Elbbrücken der Bahn und Autobahn, gegenüber dem Entenwerder Elbpark, soll auf städtischem Grund ein bis zu 200 Meter großes Hochhaus gebaut werden. Es soll den östlichen Abschluss der Hafencity bilden.

Das Projekt „Elbtower“ will die Hafencity GmbH in der kommenden Woche auf der Immobilienmesse Mipim in Cannes vorstellen und dafür einen privaten Investor finden.

Dem Bau soll die Bürgerschaft zustimmen. Frühestens 2020/21 soll damit begonnen werden.

Genutzt werden soll der Turm gemischt: Infrage kommen Büro-, Hotel-, Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen, eventuell auch Wohnungen.

Die öffentlich zugänglichen Räume im Sockel sollen das Haus auch zu einem Treffpunkt für die umgebenden Stadtteile werden.

Nein

Dieser Turm ist ein durch und durch chauvinistisches Denkmal, ein Mahnmal, ja: wessen? Des menschlichen, vor allem männlichen Größenwahns, nicht nur phallisch, sondern auch inhaltlich und physisch dem „Immer höher, immer weiter“ verpflichtet.

Dubai, London, Shanghai, New York: überall Ikonen, die nicht nur die alten – oder elbphilharmonisch-jungen – Wahrzeichen relativieren. Sondern die auch der längst widerlegten Wachstumsideologie huldigen. Denn das Motto soll ja „Hier geht es nach oben“ lauten.

Aber wohin genau weist der schlanke Glas-Beton-Pfeil? Zu Gott, und das im heidnischen Hamburg? Nein, dieser Turm huldigt dem Mammon „Kapital“, der wird eine Gelddruckmaschine für Investoren, Architekten, Baufirmen und die Tourismus-Branche.

Denn darauf zielt ja das Projekt: auf Ausflügler, die am Fuß des Turmes verweilen, sich ehrfürchtig das Genick verrenken. Oben allerdings verliert sich der Blick, endet die Vision im Nichts. Denn ein solcher Turm ist ein Versprechen ohne Lösung, Bewegung ohne Ziel. Die Aussicht von oben auf die niedliche Elbphilharmonie dafür schier unglaublich.

Wobei der Blick von oben nicht notwendig Reflexion oder sozialpolitischen Durchblick erzeugt und etwa die Notwendigkeit sozialen Wohnungsbaus offenbart. Bei so einem Gebäude geht es eher um Rausch, um die Aureole der Technologie, in der Politiker und Planer gern baden.

Aber was an diesem Wahrzeichen ist eigentlich „wahr“? Sollte man nicht, wie es der Hamburger Künstler Boran Burchhardt formuliert, ein „Falschzeichen“ dagegen setzen, ein anti-phallisches, ein Anti-Technologie-Heldenmal, tief in die Erde gebohrt? Und wäre es nicht an der Zeit, einer solch absolutistischen Herrschaftsarchitektur abzuschwören, sich der „Wahrzeichen“-Inflation zu widersetzen?

Nein, diese Größe haben Hamburgs Politiker nicht. Die wollen einen riesigen Fußabdruck hinterlassen. „Die Menschen sollen sagen: Das hat Olaf Scholz gut gemacht“, findet Olaf Scholz. So eitel hat nicht mal Ole von Beust die Elbphilharmonie promoted. Petra Schellen

Ja

Hamburg soll seinen Wolkenkratzer bekommen. Mit 200 Metern wäre er fast doppelt so hoch wie das bis dato höchste Profangebäude der Stadt, die Elbphilharmonie. Nur der Fernsehturm, der an der Spitze eigentlich ein Funkmast ist, wäre mit 279 Metern höher. Den Plan des Senats und der Hafencity-GmbH könnte man als megaloman abtun, aber vielleicht auch als eine mutige Geste.

Sicher: Hamburg begreift sich selbst eher als eine Stadt des Understatements. Ein solches Hochhaus, das da unvermittelt aus dem Elbtal aufragen würde, wäre in der norddeutschen Tiefebene weithin sichtbar. Es würde sagen: „Willkommen!“ oder „Bald sind wir zu Hause!“ Bisher heißt den Besucher nur ein Hochhäuschen mit Mercedesstern zwischen den Fahrbahnen willkommen und vielleicht noch das Werbe-Riesenrad für den Dom.

Der Masterplan für die Hafencity sah von Anfang an Hochhäuser zwischen den Elbbrücken vor; aus mehreren eines zu machen, ist nur eine nahe liegende Weiterentwicklung dieses Gedankens. Und wenn man einen Wolkenkratzer bauen möchte, dann ist dieser Ort genau richtig.

Zusammen mit der Elbphilharmonie markiert er die beiden Enden der Hafencity. Er steht nicht einfach in der Gegend herum wie das – wenn auch sehr schöne – Hermes-Hochhaus in Bahrenfeld. Der Standort ist nicht nur mit dem Auto bestens erreichbar, sondern soll eine U- und eine S-Bahn-Station erhalten. Der Turm hielte Abstand zur umgebenden Bebauung und würde diese kaum beeinträchtigen.

Er würde auch die Kirchturm-Silhouette, auf deren Erhaltung die Hamburger Stadtplaner so viel Wert legen, nicht zerstören, sondern sie im Gegenteil ergänzen. Der Turm würde eine Anmutung schaffen, wie sie mittelalterlichen Stadtansichten eigen ist, in denen sich die Stadt scharf abgegrenzt aus der Landschaft erhebt.

Und was die hanseatische Bescheidenheit angeht: Der Turm sollte das norddeutsche Flachland nicht erschlagen. Eine leichte, luftige, eben nicht großkotzige Form dafür zu finden, wäre die Aufgabe des Architekten. GERNOT KNÖDLER