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Katholische Kirche bunkert Hunderte von Babyleichen

Irland In einem Heim für ledige Mütter sind Föten und Leichen von Kleinkindern gefunden worden

Die Mütter bekamen ihre Babys nie zu sehen. Man hat ihnen lediglich gesagt, sie seien tot

DUBLIN taz | Mehrere Hundert Leichen von Föten und Kindern bis zu drei Jahren sind auf dem Gelände eines ehemaligen „Mütter-und-Kinder-Heims“ im westirischen Tuam gefunden worden. Das hat eine Untersuchungskommission am Freitag in Dublin bekannt gegeben. Die Leichen wurden in Schuhkartons oder Lumpen in 17 Kammern abgelegt, die zum Abwassersystem des Heims gehörten. Die Überreste stammten von Föten ab der 35. Schwangerschaftswoche bis hin zu Kleinkindern im Alter von zwei bis drei Jahren. Die Kommission stufte die Funde als „schockierend“ ein. Erste Untersuchungen haben ergeben, dass sie aus der Zeit von 1925 bis 1961 stammen, in der das Heim betrieben wurde. Heute steht eine Wohnsiedlung auf dem Gelände.

Die „Mütter-und-Kinder-Heime“ wurden von der katholischen Kirche geführt, in Tuam waren die Nonnen von den Bon Secours Sisters dafür zuständig. Der Name des Orts stammt vom lateinischen „Tumulus“ ab – Grabhügel. Die Kommission untersucht die Gründe für die Einweisung von Frauen in Tuam und 17 anderen Heimen zwischen 1922 und 1998 sowie die Lebensumstände der Frauen und Kinder.

Von Überlebenden weiß man, dass sie wie Sklavinnen gehalten wurden. Sie mussten ohne Bezahlung schwerste Arbeiten verrichten und wurden obendrein körperlich und sexuell misshandelt. Die Bon-Secours-Nonnen hielten die Kinder für „Ausgeburten des Satans“, sagt eine ehemalige Heiminsassin, und dementsprechend wurden sie behandelt.

Die Untersuchung in Tuam war von der Historikerin Catherine Corless angestoßen worden. Sie hatte herausgefunden, dass in dem Heim 796 Babys und Kinder gestorben waren, für die allerdings keine Bestattungsnachweise zu finden waren. Daraus hatte sie geschlossen, dass die Kinder auf dem Gelände bestattet worden sein müssten.

Ein Drittel der Kinder starb im ersten Lebensjahr – eine Statistik, die eigentlich im 17. Jahrhundert üblich war. Es wurden aber nicht nur ledige Mütter in den Heimen eingesperrt, sondern auch Frauen, die mit 30 noch unverheiratet waren und als Gefahr für verheiratete Männer eingeschätzt wurden oder dem Klerus zu selbstständig waren.

Die Organisation von Frauen, die noch bis Anfang der neunziger Jahre in solchen Mütter-und-Baby-Heimen untergebracht waren, verlangen, dass auch andere Heime untersucht werden. In den Heimen in Irland seien mehrere Tausend Babys und Kinder gestorben.

Die Mütter bekamen ihre Babys nie zu sehen. Man hatte ihnen lediglich gesagt, sie seien tot, aber es gab dafür keine Beweise. Man weiß heute, dass in mehr als 6.000 Fällen zwischen 1950 und 1973 die Babys den Müttern weggenommen und an kinderlose Paare in den USA, Großbritannien und Deutschland verkauft wurden.

Bekannt ist, dass viele Babys als Versuchskaninchen missbraucht wurden. Der Pharmakonzern Burroughs Wellcome probierte 1960 und 1970 oder 1973 einen neuen Impfstoff an den Kindern aus. Ralf Sotscheck

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