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Rasterfahndung in der Luft

GESETZENTWURF Fluggastdaten sollen fünf Jahre lang gespeichert und auf „Muster“ ausgewertet werden

BERLIN taz | Die Bundesregierung plant eine neue Vorratsdatenspeicherung. Die Daten von Flugpassagieren sollen anlasslos fünf Jahre lang gespeichert und per Rasterfahndung ausgewertet werden. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Kabinett an diesem Mittwoch beschlossen hat.

Pro Fluggast werden bis zu 19 Datengruppen erfasst: zum Beispiel Reiseziel, Reisepartner, Kontodaten und Sonderwünsche beim Essen. Die Daten werden fünf Jahre lang gespeichert. Nach sechs Monaten werden die Daten zwar „depersonalisiert“, so dass sie nicht mehr einer konkreten Person zugeordnet werden können. Bei Bedarf kann dies aber (nach richterlicher Genehmigung) wieder rückgängig gemacht werden.

Die Speicherpflicht geht auf eine 2016 beschlossene EU-Richtlinie zurück. Das deutsche Gesetz geht allerdings über das von der EU geforderte Minimum hinaus. Erfasst werden nicht nur alle Flüge in die EU oder aus der EU heraus, sondern auch alle Flüge zwischen EU-Staaten. Nur bei rein innerstaatlichen Flügen sollen die Passagierdaten nicht gespeichert werden.

Die neue Massendatenspeicherung dient nicht nur der Terrorbekämpfung, sondern zielt auch auf sonstige „schwere Kriminalität“. Dazu zählen schon jede Form von Drogenhandel, Korruption sowie Beihilfe zur illegalen Einreise.

Die Regierung will die Fluggastdaten zum einen mit Fahndungsdateien wie Inpol und SIS (Schengen Informations System) abgleichen. Sie will aber auch Personen „identifizieren, die den Sicherheitsbehörden noch nicht bekannt waren und die mit einer terroristischen Straftat oder einer Straftat der schweren Kriminalität in Zusammenhang stehen könnten“, so die Gesetzesbegründung.

Dies soll gelingen, indem die gespeicherten Fluggastdaten mit sogenannten „Mustern“ kriminellen Verhaltens abgeglichen werden. Wer zum Beispiel die gleichen Reiserouten nutzt wie Drogenkuriere und sich auch sonst wie ein Drogenkurier verhält, muss mit einer „individuellen Überprüfung“ rechnen. Dabei sollen nicht nur Personen entdeckt werden, die bereits Straftaten begangen haben. Auch künftige Straftäter sollen erkannt werden, bei denen Indizien dafür sprechen, dass sie „innerhalb eines übersehbaren Zeitraums“ entsprechende Straftaten begehen werden.

Das deutsche Gesetz geht über das von der EU geforderte Minimum hinaus

Für die Auswertung der Fluggastdaten ist künftig das Bundeskriminalamt (BKA) zuständig. Es gilt dann als „Fluggastdatenzentralstelle“. Das BKA soll auch die „Muster“ für die Rasterfahndung in den Fluggastdaten entwickeln. Gespeichert werden die Daten beim Bundesverwaltungsamt in Köln. Die Einführung des Systems wird einmalig 78 Millionen Euro kosten und jährlich weitere 65 Millionen Euro. Fluggesellschaften, die keine Flugdaten übermitteln, müssen pro Verstoß mit Geldbußen bis zu 50.000 Euro rechnen. Die Fluggastdaten und die Auswertungsergebnisse dürfen an Polizeistellen und Geheimdienste im In- und Ausland übermittelt werden, wenn dies zur Bekämpfung von Terror und „schwerer Kriminalität“ erforderlich ist.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Dezember, das nationale Vorratsdatenspeicherungen für Telekom-Daten beanstandete, wird im Gesetzentwurf mit keinem Wort erwähnt. Dabei ist die Fluggastdatenspeicherung in dreierlei Hinsicht noch weitergehender: Die Daten werden erstens fünf Jahre gespeichert (statt zehn Wochen bei den Telekom-Daten), sie werden zweitens zentral beim Staat gespeichert (statt dezentral bei den Telekom-Firmen) und sie werden drittens allesamt per Rasterfahndung ausgewertet (und nicht nur im Verdachtsfall angefordert). Christian Rath

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