KMK-Chefin über Bildungsoptionen: „Wir haben sehr gute Hauptschüler“

Die Ausbildung muss gegenüber dem Studium wieder an Ansehen gewinnen, findet Susanne Eisenmann (CDU), neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

Ein Mann trägt eine Kabelrolle eine Treppe herunter

Handwerker sind gefragt: Elektroniker-Lehrling auf einer Baustelle in Berlin Foto: dpa

taz: Frau Eisenmann, die berufliche Bildung steht in diesem Jahr bei der Kultusministerkonferenz im Mittelpunkt. Das letzte Mal, dass sich die KMK diesem Thema ausführlich gewidmet hat, war 1997. Warum wurde das so lange von den Kultusministern ignoriert?

Susanne Eisenmann: Das kann ich gar nicht sagen. Aber dass es nach exakt 20 Jahren Zeit ist, sich mit dem Thema berufliche Bildung mal wieder zu befassen, ist tatsächlich überfällig. Deshalb freue ich mich, dass die anderen Länder unserem Vorschlag gefolgt sind.

Was liegt denn im Argen?

Wir müssen deutlicher vermitteln, dass berufliche Bildung gleichwertig ist zu einer hochschulorientierten Ausbildung. Gesellschaftlich hat sich da manches verändert, wenn man sich anschaut, wie viele Kinder und Jugendliche aufs Gymnasium und in die Hochschulen strömen.

Wollen zu viele studieren?

Nein, das ist völlig in Ordnung. Uns geht es nicht darum zu sagen, macht kein Abitur, sondern eine Ausbildung. Aber welche Möglichkeiten auch die berufliche Bildung bietet, das muss stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein. Das Thema Übergänge, Abschlüsse, Anschlüsse ist für uns ganz zentral.

Susanne Eisenmann leitet seit Montag die Kultusministerkonferenz. Seit 2016 ist sie Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg. Zehn Jahre lang war die CDU-Politikerin zuvor Bürgermeisterin für Kultur, Schule und Sport in Stuttgart.

Kurioserweise gibt es beides gleichzeitig: einen Mangel an Ausbildungsplätzen für eine bestimmte Gruppe und einen Mangel an Ausbildungsplätzen für bestimmte Berufe. Was kann die KMK tun, um diese Probleme zu lindern?

Wir wissen, dass Jugendliche zu bestimmten Berufen eine besondere Neigung haben. Wir müssen unsere Schülerinnen und Schüler breiter beraten, um diese Präferenzen aufzubrechen.

Besonders schwer ist es für Hauptschüler, einen Ausbildungsplatz zu finden. Nicht einmal die Hälfte der Hauptschüler mit Abschluss und nur ein Viertel ohne Abschluss finden einen regulären Ausbildungsplatz nach der Schule. Da hilft doch nicht allein bessere Berufsorientierung, oder?

Nein, da haben Sie völlig recht. Auch das wird ein Thema sein: Warum ist die Akzeptanz im Arbeitsmarkt relativ schlecht? Die Arbeitgeber sagen uns, der Ausbildungsstand ist schlecht – es hapert beim Lesen, Schreiben, Rechnen. Eine Antwort ist, man muss die Qualität in allen Schularten in den Mittelpunkt stellen. Auf der anderen Seite stellen die Arbeitgeber lieber einen ganz schlechten Realschüler als einen guten Hauptschüler ein. Wir haben sehr gute Hauptschüler, das kann ich von Baden-Württemberg behaupten, und die tun sich tatsächlich schwer auf dem Ausbildungsmarkt. Auch da ist es erforderlich, dass sich etwas im Bewusstsein der Arbeitgeber verändert.

Bildungsforscher beobachten, dass Schüler insgesamt auf ein zunehmend schmaleres Feld von Berufen eingeengt werden. Es gibt also für bestimmte Abschlüsse keine Jobs mehr. Bewusstseinsbildende Maßnahmen allein lösen das Problem doch nicht?

Nein. Wir schauen uns in Baden-Württemberg an, wie wir die Qualität unserer Werkreal- und Hauptschulen deutlich verbessern können. Da geht es etwa um die Heranführung an technologische Abläufe, darum, wie wir unsere Hauptschüler auf eine digitalisierte Arbeitswelt vorbereiten.

Sie würden aber nicht so weit gehen zu sagen: Schulen, die ausschließlich Abschlüsse in der unteren Allgemeinbildungskategorie vergeben, sind nicht mehr zeitgemäß? Wir brauchen Schulen, die alle Abschlüsse anbieten und es Schülern erlauben, einen möglichst hohen zu erwerben?

Das wäre die falsche Schlussfolgerung. Wir brauchen die ganze Bandbreite und müssen unseren Schülern in allen Schularten Perspektiven bieten.

Die Berufsschulen haben große Probleme, Lehrer zu gewinnen. Zwei Drittel der Lehrkräfte sind Quereinsteiger. Wie groß ist die Bereitschaft der Länder, eine gemeinsame Lösung zu finden?

Es ist unsere Zielsetzung, hier eine gemeinsamem Maßnahmenkatalog zu entwickeln, der am Ende dieses Jahres stehen soll. Da stellt sich unter anderem auch die Frage, wie attraktiv ist ein Lehramt in diesem Segment. Gerade Berufsschullehrer können durchaus auch einen Job in der freien Wirtschaft finden. Darüber müssen wir diskutieren.

Wie könnte das Berufsschullehramt attraktiver werden?

Wir haben ja generell in allen Bundesländern und in allen Schularten inzwischen einen Mangel an Lehrern und Probleme, Lehrer zu gewinnen. Das macht uns schon Sorgen. Wir müssen den Beruf in allen Schularten attraktiver machen. Darüber haben wir uns schon vor einigen Monaten in der KMK ausgetauscht. Es ist auch eine Frage der Arbeitsbedingungen, wie viel pädagogische Arbeit machen die Lehrer, wie viel Verwaltung lastet auf ihren Schultern.

Zurzeit arbeiten die Bundesländer eher gegen- als miteinander und versuchen, sich gegenseitig die Lehramtsabsolventen abzuwerben.

Das ist dem generellen Mangel geschuldet. In Baden-Württemberg haben wir im Herbst erstmals nicht alle Stellen besetzen können. Wir hatten schlicht zu wenig Bewerberinnen und Bewerber. Wenn Lehrerinnen in meinem Bundesland fehlen, schaue ich eben rechts und links. Das kann man niemandem verwehren, aber dieser Effekt macht uns alle nicht glücklich. Eine einfache Lösung gibt es nicht, aber dieses Problem müssen wir ernst nehmen.

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