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72 Stunden Ungewissheit

BreitscheidplatzIm Abgeordnetenhaus verneint der Opferbeauftragte Weber zwar ein Behördenversagen, berichtet aber von langen Wartezeiten und überforderten Polizisten

von Stefan Alberti

Nein, sagt der unauffällig wirkende Mann mit der ruhigen Stimme, es sei nicht so gewesen, wie es jüngst die Sat1-Sendung „Akte“ oder die Bild-Zeitung dargestellt hätten: dass es mit Blick auf die Opfer des Anschlags am Breitscheidplatz ein vollumfängliches Behördenversagen gegeben habe. Roland Weber, der Opferbeauftragte des Landes, sitzt an diesem Mittwochnachmittag im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses, um ein differenzierteres Bild zu zeichnen. Aber auch zu diesem gehört, dass man, anders, als Polizisten ihm versichert hätten, eben nicht vom ersten Tag an immer feinfühlig mit den Opfern umgegangen sei.

37 Tage nach dem Attentat, bei dem zwölf Menschen starben, berichtet Weber dem erstmals nach der Abgeordnetenhauswahl tagenden Rechtsausschuss von Klagen über offenbar überlastete und überforderte Polizisten. Er spricht von teils unsensiblen Befragungen von Angehörigen, ohne dass ein Seelsorger dabei war. All das sind Dinge, über die sich Opfer und Hinterbliebene bei ihm beklagt hätten. Weber ist seit 2012 der einzige Opferbeauftragte in Deutschland, kein anderes Bundesland hat eine solche Stelle. Und auch seine Arbeit ist eine ehrenamtliche – im Hauptberuf ist der 50-Jährige Rechtsanwalt.

Wenn Weber auch ein Behördenversagen verneint, so haben seine Aussagen doch merklich Wirkung auf die zuhörenden Abgeordneten. Dass ihm etwa mehrere Angehörige unabhängig voneinander gesagt hätten, dass sie bis zu 72 Stunden warten mussten, bis sie Auskunft über das Schicksal ihrer Angehörigen bekamen. Er habe Beschwerden über die Personenauskunftsstelle der Polizei selbst überprüft, wonach man lange oder ganz vergeblich habe warten müssen – „das kann ich bestätigen“.

Weber wiederholt seine schon früher geäußerte Kritik, dass es weder auf Landes- noch auf Bundesebene eine zentrale Anlaufstelle für die Opfer gebe, eine Einrichtung weit über seine eigene Beauftragtenstelle hinaus. Gut ein Dutzend Mal hätten ­Opfer oder Angehörige ihm gegenüber geklagt, dass so etwas fehle. Er kann immerhin berichten, dass, anders als bislang befürchtet, das Opferentschädi­gungs­gesetz doch auch für den Anschlag am Breitscheidplatz gilt – Attacken mit Fahrzeugen sind in diesem eigentlich ausgenommen. Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Soziales gibt es bislang 22 Anträge auf Entschädigungszahlungen.

Die häufigste Forderung – die nach Einrichtung der von Weber skizzierten Zentralstelle für Opferangelegenheiten – will Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) mit in seine Behörde nehmen: Die Justizverwaltung werde besprechen, was hier machbar sei.

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