: Obdachlosem ins Gesicht getreten
Prozess-Beginn
Dennis L. wurde zum Verhängnis, dass er sich bei seiner Tat filmen ließ. „Zum Zwecke der Selbstinszenierung“, wie es in der Anklageschrift heißt. Als die Polizei das Telefon seines Begleiters in einem anderen Verfahren durchsuchte, fand sie die Aufnahmen, die Grausames zeigen sollen: In Hannovers Fußgängerzone hat L. demnach einem auf einer Bank schlafenden Obdachlosen mit voller Wucht ins Gesicht getreten. Der Kopf des Mannes soll über die Bank hinaus geragt haben, weswegen Lebensgefahr bestanden habe. Am Mittwoch muss der kampfsporterprobte Dennis L. sich deshalb wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Hannover verantworten.
Solch brutale Angriffe auf wehrlose Obdachlose sind keine Seltenheit. Im Dezember sorgte ein Fall aus Berlin für bundesweite Schlagzeilen. Junge Männer hatten in einer U-Bahn-Station versucht, einen Obdachlosen anzuzünden. Sie sitzen inzwischen nach einer Öffentlichkeitsfahndung in Untersuchungshaft. Weniger Erfolg hatten kurz darauf die Ermittlungen der Hamburger Polizei. Sie hatte Zeugen für einen ähnlichen Fall im Bahnhofsviertel St. Georg gesucht – bisher ohne Ergebnis. Eine 27-Jährige Obdachlose war am 7. Januar davon aufgewacht, wie mehrere Männer an ihrer Kleidung zündelten. Außer einem kleinen Brandloch war zum Glück kein Schaden entstanden.
Vermutlich im Februar wird sich auch in Hamburg ein Mann wegen eines Übergriffs auf einen Obdachlosen vor Gericht verantworten müssen. Der Angeklagte soll einem Bettler zunächst aus dem Nichts heraus seinen Spendenbecher und eine Tüte mit Diabetikerbesteck entwendet und die Gegenstände in einen Mülleimer geworfen haben. Als der 19-Jährige seine Sachen wieder herausfischen wollte, soll der Mann mehrmals auf ihn eingetreten haben. Bei einer Notoperation stellten Ärzte später eine doppelte Fraktur des rechten Schienbeins und diverse Prellungen fest.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) wertet jährlich Presseberichte aus und führt mit den so gewonnenen Daten eine Statistik über Gewalttaten, die sich gegen Obdachlose richten. 52 Fälle von Körperverletzung hat sie 2016 gezählt, acht Obdachlose starben in dem Jahr sogar durch Gewalt. Hinzu kommen noch die Taten, die sich Obdachlose gegenseitig zufügen. Die Werte sind ähnlich hoch wie in den Jahren zuvor. Motiv seien häufig Ressentiments gegenüber den Obdachlosen, sagt BAGW-Geschäftsführer Thomas Specht: „Für manche Menschen sind Obdachlose Freiwild.“ BELA
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